Geozentrisches Weltbild
Das geozentrische Weltbild (altgriechisch γεοκεντρικό geokentrikó „erdzentriert“) basiert auf der Annahme, dass die Erde und damit auch der Mensch im Universum eine zentrale Position einnehmen, so dass alle Himmelskörper (Mond, Sonne, die anderen Planeten und die Fixsterne) die Erde umkreisen. Das geozentrische Weltbild entspricht dem unmittelbaren Augenschein und wurde schon im klassischen Altertum in Griechenland, insbesondere bei Aristoteles (384–322 v. Chr.), detailliert ausgearbeitet. Es war dann in Europa für etwa 1800 Jahre die vorherrschende Auffassung. Auch im alten China und in der islamischen Welt wurde ein geozentrisches Weltbild gelehrt. Ob es bereits vor den Griechen im alten Mesopotamien vertreten wurde, ist nicht sicher. In der Renaissance wurde das geozentrische durch das heliozentrische Weltbild mit der Sonne als Mittelpunkt des Kosmos abgelöst, das in seiner ersten Form bei Aristarchos von Samos (310–230 v. Chr.), also ebenfalls schon in der Antike erschien.
Die Bewegungen von Mond, Sonne und Planeten um die Erde erscheinen unterschiedlich und für meiste Zeit etwas langsamer als die Drehung des Fixsternhimmels. Nach dem einfachsten geozentrischen System erfolgen sie daher in verschiedenen, von innen nach außen konzentrisch angeordneten rotierenden Sphären, deren Drehachsen durch das Erdzentrum gehen. Diese Sphären wurden teilweise als durchsichtige Hohlkugeln aufgefasst. An der äußersten und schnellsten Sphäre sind die Fixsterne befestigt, an der innersten, die auch die langsamste ist, der Mond. Besondere Unregelmäßigkeiten zeigen sich bei den Planeten. Diese machten es nötig, den beweglichen Sternen statt der einfachen gleichförmig durchlaufenen Kreisbahn zusammengesetzte Kreisbahnen zu geben (Epizykeltheorie) und, nach einer Hipparch zugeschriebenen Idee, die Erde aus dem genauen Mittelpunkt der Planetenbewegungen zu verschieben (Äquant). Durch Claudius Ptolemäus (ca. 100–160 n. Chr.) und seine Nachfolger nahm das geozentrische Weltbild zur Berechnung der Positionen der Gestirne am Himmel die Form eines mathematisch detailliert ausgearbeiteten Systems mit bis zu 80 Epizykeln an.
Im geozentrischen Weltbild wurde seit Aristoteles überwiegend eine Kugelform der Erde angenommen. Das geozentrische Weltbild ist nicht mit dem Konzept der flachen Erde zu verwechseln.
Im geozentrischen Weltbild wird angenommen, dass alle Bewegungen des Mondes, der Sonne und der Planeten geometrisch auf Kurvenbewegungen ablaufen um die als ruhend oder um ihre Achse rotierend gedachte Erde. Beim homozentrischen System des Eudoxos von Knidos (ca. 390–338 v. Chr.) findet diese Kurvenbewegung auf Kreisbahnen statt, deren Achsen durch das Erdzentrum gehen und somit perfekt erscheinen.
Eine wichtige Begründung des geozentrischen Weltbildes lag in der Beobachtung, dass die Erde als ruhend empfunden wird und von den Himmelskörpern umkreist wird. Weiterhin ließ sich die Schwerkraft leicht damit erklären, dass alles Schwere seinem natürlichen Ort zustrebe, der nur der Mittelpunkt der Welt sein könne. Auch Aristoteles war ein einflussreicher Verfechter des geozentrischen Weltbilds. Die Aristotelische Physik verträgt sich aber streng genommen nicht mit den Hilfsannahmen von Exzentern, Epizyklen und Äquanten. Am besten harmoniert sie mit der homozentrischen Variante. Von der Sonne und den Planeten nahm man teilweise an, sie bestünden aus einem überirdischen „fünften Element“, der Quintessenz, dessen natürliche Bewegung die Kreisbahn sei.
Religiöse Rezeption
Das geozentrische Weltbild war nahe an der alltäglichen Erfahrung des Beobachters und widersprach nicht der Bibel. Die christlichen Kirchen übernahmen und verteidigten es entschieden. Der Kirchenvater Basilius der Große (330–379) behandelte in neun Homilien exegetisch den Schöpfungsbericht und zeichnete ein Naturbild, das unmittelbar an die Antike anknüpfte. Seine Fastenpredigten beeinflussten seinen Freund Ambrosius von Mailand (340–397). Über diesen wurde es auch dessen Schüler Augustinus von Hippo bekannt. Die griechischen Originaltexte des Ptolemäus lagen dem Westen im Mittelalter nicht vor, seine und des Aristoteles' Theorien waren durch lateinische Kompendienliteratur bekannt. Auch die Scholastiker des 13. Jahrhunderts sahen in der Erde das absolute Zentrum, mit dem die Stellung des Menschen definiert sei. Dagegen befinde sich in der höchsten Sphäre des Himmels das Reich Gottes und der Heiligen: das Empyreum.
Nachfolgemodell
Das geozentrische Weltbild wurde im Mittelalter und auch in der beginnenden Renaissance nicht hinterfragt. Nachhaltige Zweifel daran kamen erst mit Nikolaus Kopernikus auf, Giordano Bruno und Galileo Galilei wurden schließlich wegen Befürwortung des heliozentrischen Systems des Kopernikus von der Inquisition wegen Häresie angeklagt.
Siehe auch
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 30.03. 2020