Manfred von Ardenne

Manfred Baron von Ardenne

deutscher Naturwissenschaftler und Techniker

geboren: 20. Januar 1907 in Hamburg
gestorben: 26. Mai 1997 in Dresden

  • 1941: Silberne Leibniz-Medaille der Preußischen Akademie der Wissenschaften
  • 1947: Stalinpreis der UdSSR für die Erfindung des Elektronenmikroskops
  • 1953: Stalinpreis 2. Klasse der UdSSR für die elektromagnetische Trennung von Isotopen und die Herstellung von Lithium-6
  • 1958: Dr. rer. nat. h. c. der Universität Greifswald
  • 1965: Mitglied der Internationalen Astronautischen Akademie Paris
  • 1978: Dr. med. h. c. der Medizinischen Akademie Dresden
  • 1982: Dr. paed. h. c. der Pädagogischen Hochschule Dresden
  • 1982: Ehrenspange zum Vaterländischen Verdienstorden in Gold
  • 1987: Medaille für Kunst und Wissenschaft des Senats der Stadt Hamburg
  • 1989: Ehrenbürger von Dresden
Manfred von Ardenne

Nach zwei Jahren Privatunterricht besuchte Ardenne drei Jahre lang ein Realgymnasium in Berlin.

Schon als Schüler (1922) interessierte sich Ardenne sehr für die Naturwissenschaften, insbesondere für die Elektrophysik. Er konstruierte Modelle eines Fotoapparats und einer elektrischen Alarmanlage, beschäftigte sich mit Problemen der Rundfunktechnik und erhielt im Alter von 16 Jahren sein erstes Patent über ein „Verfahren zur Erzielung einer Tonselektion, insbesondere für die Zwecke der drahtlosen Telegraphie“.
1923 verließ Ardenne vorzeitig das Gymnasium und widmete sich der Weiterentwicklung der Radiotechnik. Siegmund Loewe, Gründer der Radiofrequenz GmbH (später Radio AG D.S. Loewe), wurde zu seinem Förderer. Von Ardenne entwickelte gemeinsam mit Loewe, dem das Patent erteilt wurde, eine der ersten Mehrsystemröhren. In der sogenannten Dreifachröhre vom Typ 3NF befanden sich drei Triodensysteme, vier Widerstände und zwei Kondensatoren. Sie gilt als einer der ersten integrierten Schaltkreise und wurde im Ortsempfänger OE 333 eingesetzt.

Mit Honoraren für seine Veröffentlichungen und Geldern aus dem Patentverkauf verbesserte Ardenne 1925 den Breitbandverstärker (widerstandsgekoppelter Verstärker) erheblich, der u.a. die Entwicklung des Fernsehens und Radars entscheidend voranbrachte. Ein Patent auf diese Verbesserung wurde ihm wegen Vorveröffentlichung jedoch aberkannt. Obwohl er kein Abitur hatte, konnte er sich dank der Fürsprache des Nobelpreisträgers Walther Nernst sowie Georg Graf von Arco, dem Technischen Direktor von Telefunken, an der Universität in Berlin einschreiben und begann Physik, Chemie und Mathematik zu studieren. Nach vier Semestern brach er das Studium ab und widmete sich ganz seinen Forschungen auf dem Gebiet der angewandten Physik.

1928 wurde Manfred von Ardenne volljährig und gründete das Forschungslaboratorium für Elektronenphysik in Berlin-Lichterfelde (heute: Villa Folke Bernadotte), das er bis 1945 leitete. In dieser Zeit entwickelte er dort u.a. die weltweit erste elektronische Bildzerlegung und -wiedergabe mit zeilenweiser Abtastung über eine Photozelle und Wiedergabe auf einer Kathodenstrahlröhre. Er erfand das Rasterelektronenmikroskop, das er im Februar 1937 zum Patent anmeldete.

Die erste Fernsehübertragung mit Kathodenstrahlröhre in Deutschland gelang Manfred von Ardenne am 14. Dezember 1930 in seinem Lichterfelder Laboratorium, nachdem Philo Farnsworth in den USA dieses Verfahren schon im September 1927 in seinem Labor demonstriert hatte. Zur Funkausstellung in Berlin führte von Ardenne ab 21. August 1931 das erste elektronische Fernsehen vor, mit dem er auf dem Titelblatt der New York Times international bekannt wurde. Mitte des 20. Jahrhunderts ging eine Vielzahl bedeutender Erfindungen auf den Gebieten der Funk- und Fernsehtechnik und der Elektronenmikroskopie auf die Arbeit seines privaten Forschungsinstituts zurück. Wichtigster Geldgeber war das von dem Physiker Wilhelm Ohnesorge, einem Kriegskameraden seines Vaters aus dem Ersten Weltkrieg, geführte Reichspostministerium.

Nach der Entdeckung der Kernspaltung, deren militärisches Potenzial er rasch erkannte und über das er auch Ohnesorge informierte, wandte er sich sofort der experimentellen Kernphysik zu. Er baute Teilchenbeschleuniger (1-Millionen-Volt-van-de-Graaff-Anlage, 60-Tonnen-Zyklotron) und beschäftigte sich mit der Isotopentrennung. Initiativen in Richtung einer deutschen Atombombe gingen von ihm nicht aus. Der theoretische Physiker Carl Friedrich von Weizsäcker, einer der bedeutendsten Mitarbeiter des Uranprojekts, hatte ihm erklärt, dass eine explosionsartig ablaufende Kettenreaktion, wie sie in einer Bombe ablaufen müsste, physikalisch unmöglich sei. Dennoch finanzierte Ohnesorge ein kernphysikalisches Institut des Reichspostministeriums Berlin-Lichterfelde-Ost in unmittelbarer Nähe des Ardenne-Laboratoriums. 1942 verfasste Ardenne einen Geheimbericht Über einen neuen magnetischen Isotopentrenner für hohen Massentransport, ein Labormuster, mit dem Anfang 1945 auch erste Versuche zur Trennung von Lithiumisotopen durchgeführt wurden. Dessen Prototyp wurde möglicherweise 1943 auf einem Luftwaffenstützpunkt in Bad Saarow aufgebaut. Die Entwicklung des Lithium-Trenners ist noch nicht umfassend erforscht.

Ardenne beauftragte den seit Januar 1941 bei ihm beschäftigten Theoretiker Fritz Houtermans, auch die Isotopentrennung von Uran mit einer Ultrazentrifuge durchzurechnen. Ein bereits im August 1941 von Houtermans vorgelegter Bericht Zur Auslösung von Kern-Kettenreaktionen sorgte nach Kriegsende für Zweifel an der ausschließlich friedlichen Zielen dienenden Kernforschung in den von Ardenne geleiteten Einrichtungen. Denn Ardenne hatte den Houtermans-Bericht, in dem der Autor zeigte, dass ein Element mit der Massenzahl 239 (später Plutonium genannt) ebenfalls als Brennstoff und Explosivstoff genutzt werden könne, damals gleichfalls als Geheimbericht klassifiziert, der einem ausgewählten Kreis deutscher Kernphysiker zur Kenntnis gegeben wurde. Nahezu zeitgleich meldete Carl Friedrich von Weizsäcker eine Plutoniumbombe zum Patent an.

Am 10. Mai 1945 stellte Ardenne auf Anraten von Generaloberst V. A. Machnejew, dem Beauftragten für den Sektor Wissenschaft und Technik und Verbindungsoffizier zur sowjetischen Akademie der Wissenschaften, einen Antrag auf wissenschaftliche Zusammenarbeit, dem stattgegeben wurde. Am 21. Mai 1945 flogen Ardenne und seine Frau nach Moskau „zum Abschluß eines Vertrags für zwei Wochen in die Sowjetunion“ in der Erwartung, dass sein Institut in Berlin bleiben und ein weiteres Institut in der Sowjetunion aufgebaut würde. Unmittelbar nach der Abreise wurde das gesamte Inventar seines Instituts in 750 Kisten verpackt und in einen Güterzug verladen, der zusammen mit seinen Kindern und Verwandten am 11. Juni 1945 in Moskau ankam. Die Sowjetunion hatte ihn als ersten deutschen Wissenschaftler zwangsverpflichtet. Für den Wiederaufbau des Forschungslaboratorium für Elektronenphysik hatte er die Wahl zwischen Moskau, der Krim oder Grusinien im Kaukasus. Ardenne wählte das grusinische Sochumi am Schwarzen Meer, wo das Innenministerium der UdSSR (NKWD) am 27. Juli 1945 das Physikalisch-Mathematische Institut als Institut A eröffnete. Ardenne wurde am 21. August 1945 zum Direktor ernannt. Wie die Verschleppten der Aktion Ossawakim wurden sie hinter Stacheldraht e ingeschlossen und durften „das Gelände nur noch mit sowjetischer Begleitung verlassen“.

Von diesem Zeitpunkt bis 1951 arbeitete Ardenne gemeinsam mit anderen deutschen Technikern und Wissenschaftlern, u.a. Gustav Hertz, Max Steenbeck, Peter Adolf Thiessen und Gernot Zippe, an der Entwicklung der sowjetischen Atombombe. Das von Ardenne bearbeitete Verfahren der elektromagnetischen Trennung von Uranisotopen kam bei der Produktion der ersten einsatzfähigen sowjetischen Atombomben jedoch nicht zum Einsatz. Dennoch erhielt Ardenne für seinen Beitrag im Dezember 1953 den Stalinpreis 2. Klasse.

Für Entwicklung und Bau eines Elektronenmikroskops bekam Ardenne im März 1947 eine Prämie in Höhe von 50.000 Rubel. 1948 konstruierte er die Duoplasmatron-Ionenquelle für den Einsatz in großen Teilchenbeschleunigern und in kosmischen Raketen mit Ionenantrieb. Ab 1951 entwickelte er Präzisions-Oszillographen und Massenspektrographen und plante den Aufbau seines neuen Instituts in Dresden.

Nach seiner Rückkehr aus der Sowjetunion am 24. Mai 1955 baute Ardenne in der DDR das Forschungsinstitut Manfred von Ardenne auf dem Weißen Hirsch in Dresden auf, das sich durch eine anwendungsorientierte industrienahe Forschung auszeichnete. Wie bereits in Berlin praktiziert, verwirklichte Ardenne auch in Dresden das Prinzip des Wohnens und Arbeitens unter einem Dach.

Das Institut entwickelte sich mit rund 500 Mitarbeitern zum größten privatwirtschaftlichen Forschungsinstitut des gesamten Ostblocks und stellt insbesondere in der DDR wegen seiner Privilegierung und Sonderstellung in einer ansonsten staatlichen beziehungsweise volkseigenen Industrie- und Forschungslandschaft eine Besonderheit dar. Forschungs- und Entwicklungsfelder waren die Elektronenstrahl- und Plasmatechnologie sowie die Beschichtung im Vakuum.

Anfang der 1960er Jahre wandte sich Ardenne medizinischen Fragestellungen zu. Entscheidend war ein Gespräch mit dem Biochemiker Otto Warburg im Jahre 1959. Ardenne entwickelte zwei verschiedene Therapien: die umstrittene Sauerstoff-Mehrschritt-Therapie, für die keine belastbaren Nachweise für den Nutzen und medizinische Notwendigkeit existieren, und die sogenannte systemische Krebs-Mehrschritt-Therapie, bei der der Krebs und die Metastasen durch Hyperthermie (Überwärmung), Glukose und Sauerstoff gegebenenfalls in Kombination mit einer Chemotherapie in mehreren Sitzungen bekämpft werden sollen. Ardenne war der Erste, der eine passive Ganzkörperhyperthermie zur Krebsbekämpfung einsetzte. Da dieses Verfahren sehr anstrengend ist, setzte er zur Unterstützung der Patienten während der Behandlung Sauerstoff ein.

Der parteilose Ardenne war von 1963 bis 1990 für den Kulturbund Volkskammerabgeordneter. Für Reformen im Hochschulbereich setzte er sich seit Anfang der 1970er Jahre wiederholt dezidiert ein.

Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof Weißer Hirsch.

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Basierend auf einem Artikel in: Extern Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 15.07. 2024