Gluten
Gluten ([gluˈtʰeːn], auch [ˈgluːtʰən]; von lateinisch glūten „Leim“) oder Klebereiweiß ist ein Sammelbegriff für ein Stoffgemisch aus Proteinen, das im Samen einiger Arten von Getreide vorkommt.
Die Bezeichnung Kleber wird oftmals synonym zu Gluten verwendet, ist jedoch als Gemisch aus Proteinen, Lipiden und Kohlenhydraten definiert, das nach Auswaschen der löslichen Bestandteile und Stärke aus einem Teig zurückbleibt. Wenn Wasser zu Getreidemehl gegeben wird, dann bildet das Gluten beim Anteigen aus dem Mehl eine gummiartige und elastische Masse, nämlich den Teig. Der darin enthaltene Kleber entsteht beim Anteigen durch die irreversible Ausbildung einer dreidimensionalen Struktur der Proteine. Der Kleber hat für die Backeigenschaften eines Mehls eine zentrale Bedeutung.
Aufbau
Gluten setzt sich aus den beiden Osborne-Fraktionen Prolamine (löslich in einer 70-prozentigen Ethanollösung) und Gluteline (im Alkalischen löslich) zusammen, wobei es sich (im Gegensatz zu Enzymen und anderen Cytoplasmaproteinen) um Reserveproteine (Speicherproteine im Samen, Wurzel- und Sprossknollen) handelt. Im Weizen werden sie als „Gliadine“ (Prolaminfraktion) und „Glutenine“ (Glutelinfraktion) bezeichnet und in die Untergruppen „hochmolekulare“ Gliadine und „niedermolekulare“ Gliadine sowie „mittelmolekulare“ Glutenine (ω1,2-Gliadine) und „niedermolekulare Glutenine“ (α- und β-Gliadine) unterteilt. Prolamine und Gluteline kommen im Weizen in einem Verhältnis von etwa 1:1 vor und stellen mit rund 80 % die mengenmäßig größte Proteinfraktion dar.
Lebensmitteltechnologische Bedeutung
In Verbindung mit Wasser bildet Gluten sogenanntes Klebereiweiß. Dieses bildet das Teiggerüst bei Brot und Gebäck. Nur aus Mehlen mit Gluten kann Brot in Form eines Laibs (im Unterschied zu Fladenbrot) gebacken werden. Die Menge an Gluten ist für die Backfähigkeit („Gashaltefähigkeit“) von Weizenmehlen ausschlaggebend. Gluten ist dehnbar und sorgt im Weizenteig auf der Gare dafür, dass das Gärgas (Kohlendioxid) gehalten wird und somit das Gebäck aufgehen kann. Im fertigen Gebäck sorgt das geronnene Klebergerüst dafür, dass das Gebäck seine Form behält.
Die Aufgabe des Müllers besteht darin, Weizenpartien so zu mischen, dass die Kleberqualität für die Herstellung von Brot und Kleingebäck optimal ist. Im handelsüblichen Weizenmehl liegt der Klebergehalt in der Trockensubstanz bei ungefähr 13 %. Da trockener Kleber das Zwei- bis Dreifache seines Eigengewichts an Wasser aufnehmen kann, liegt der wasserhaltige Klebergehalt in Teigen dann bei etwa 30 % bis 35 %.
Im Labor wird Kleber ausgewaschen, indem ein Teig mit Kochsalzlösung gespült wird, bis die Iodprobe anzeigt, dass im Auswaschwasser keine Stärke mehr vorhanden ist. Zurück bleibt der kaugummiartige Kleber. Die Eigenschaften des Klebers (dehnbar-elastisch oder bockig-kurz) werden hauptsächlich durch die Sorteneigenschaften des Weizens vorgegeben. Die Kleberqualität kann im Labor durch verschiedene Untersuchungen (Dehnungsprüfung mit dem Extensographen oder Glutenindex mit dem Glutomatic-Gerät) festgestellt werden.
Beim Auswaschen des Klebers verändert sich die Eiweißzusammensetzung, weil insbesondere die essentielle Aminosäure Lysin teilweise zusammen mit der Stärke entfernt wird.
Getreide mit hohem Glutengehalt sind Dinkel (10,3 g/100 g Mehl Typ 630), Weizen (Gliadin, 8,66 g/100 g Mehl Typ 405), Kamut, Emmer, Einkorn und Hartweizen. Einen niedrigeren Anteil an Klebereiweiß haben Roggen (Secalinin, 3,2 g/100 g Mehl Typ 815), Hafer (Avenin, 5,6 g / 100 g Vollkornmehl) und Gerste (Hordenin, 5,6 g/100 g ganzem entspelztem Korn). Getreidearten wie Teff, Hirse, Mais und Reis sowie Pseudogetreide wie Quinoa, Amarant und Buchweizen sind glutenfrei. Gluten ist Bestandteil von Lebensmitteln, die aus entsprechendem Getreide hergestellt wurden, und es bildet den Hauptbestandteil für Seitan, einen auch als „Weizenfleisch“ angebotenen Fleisch-Ersatz. Glutenfreies Mehl wird im Handel angeboten; es verhält sich jedoch anders als glutenhaltiges Mehl. Die Mengenangaben für einzelne Zutaten können daher von klassischen Rezeptangaben abweichen. Backwaren ohne Gluten gelingen oftmals nicht so luftig und saftig wie mit herkömmlichem Mehl, denn Gluten sorgt beim Backen auch für gute Porenbildung und eine feste Krume.
Ebenfalls im Handel angeboten wird glutenfreies Bier.
Sofern glutenhaltiges Getreide (einschließlich Hafer) als (absichtliche) Zutat verwendet wird, muss dies innerhalb der EU gemäß der Lebensmittel-Informationsverordnung auch genannt werden. Eine Vorschrift zur Kennzeichnung von (unabsichtlichen) Spuren, beispielsweise durch Kontamination im Anbau oder Produktionsprozess, existiert jedoch weder EU-weit noch in Deutschland, weshalb aus dem Fehlen einer Spurenkennzeichnung allein keine Rückschlüsse möglich sind. Die Bezeichnung „glutenfrei“ darf ein Lebensmittel tragen, dessen Glutengehalt maximal 20 mg/kg beträgt; auch dieser Begriff garantiert also lediglich eine Höchstmenge, nicht aber die Abwesenheit von Gluten. Auch Produkte, für die das Symbol der durchgestrichenen Ähre der Europäischen Zöliakie-Gesellschaften lizenziert werden soll, müssen lediglich diesen Höchstwert einhalten.
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Reife Weizenkörner enthalten Gluten
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Roggenkörner enthalten Gluten
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Dinkelkörner enthalten Gluten
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Als glutenfrei ausgewiesenes Bier aus Sorghum in einem amerikanischen Supermarkt
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Ein Stück Seitan („Weizenfleisch“) aus Gluten
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Japanischer Seitan (Yaki-Fu, 焼き麩) aus Gluten
Gesundheitliche Aspekte
Zöliakie
Zöliakie ist eine entzündliche Erkrankung der Darmschleimhaut, die unbehandelt weitreichende gesundheitlichen Folgen haben kann. Sie tritt weltweit bei weniger als einem Prozent der Bevölkerung auf. In Deutschland ist etwa einer von 270 bis 500 Menschen von einer Zöliakie betroffen.
Gluten-Ataxie
Gluten-Ataxie ist neurodegenerative Autoimmunerkrankung charakterisiert durch Störungen der Bewegungskoordination, die mit Muskelzuckungen einhergehen kann.
Dermatitis herpetiformis Duhring
Dermatitis herpetiformis Duhring ist eine bläschenbildende Hauterkrankung mit starkem Juckreiz, die meist bei Menschen mit Zöliakie auftritt.
Tiermedizin
Beim Border Terrier wird das Canine Epileptoid Cramping Syndrome, eine Erkrankung mit epilepsieartigen Krampfanfällen, als nicht-darmassoziierte Form der Glutenunverträglichkeit angesehen.
Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität
Die Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität (engl. non-celiac gluten sensitivity, NCGS) wird vermutlich nicht durch Gluten, sondern andere Weizen-Bestandteile, wie etwa Amylase-Trypsin-Inhibitoren ausgelöst.
Literatur
- Wilfried Seibel (Hrsg.): Warenkunde Getreide – Inhaltsstoffe, Analytik, Reinigung, Trocknung, Lagerung, Vermarktung, Verarbeitung. Agrimedia, Bergen Du 2005, ISBN 3-86037-257-2.
- Johannes Gudow: Ernährung: Die Legende vom bösen Gluten. In: Die Zeit, Nr. 48/2013
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 13.11. 2023