Geschlechtsmerkmal
Geschlechtsmerkmale sind Eigenschaften, die bei den Spezies eine unterschiedliche Ausgeprägung der Indivduen sichtbar macht.
Unterteilung in den klassischen Lehren
Es wird unterschieden zwischen primären und sekundären (körperlichen auch engl: sex) sowie tertiären Geschlechtsmerkmalen (sozialen engl: gender) oder Verhaltensgeschlechtsmerkmalen.
Primäre und Sekundäre Geschlechtsmerkmale
Primäre und Sekundäre Geschlechtsmerkmale (Sex) sind genetisch-biologisch veranlagt. Die Struktur ist bereits in der befruchteten Eizelle festgelegt. Die spätere Ausprägung wird hormonell unterstützt.
- Primäre Geschlechtsmerkmale sind die angeborenen inneren und äußeren Organe, die zur Fortpflanzung notwendig sind.
- Sekundäre Geschlechtsmerkmale sind die sich später in der Reifezeit entwickelnden, körperlichen Geschlechtsmerkmale, die die Weiblichkeit bzw. die Männlichkeit im Sinne der Geschlechtszugehörigkeit und auch der nun erreichten Geschlechtsreife des Lebewesens kennzeichnen und diese in erster Linie einem potenziellen Sexualpartner und auch den gleichgeschlechtlichen Konkurrenten des Individuums durch visuelle und olfaktorische Reize signalisieren.
Tertiäre Geschlechtsmerkmale
Tertiäre Geschlechtsmerkmale (Gender) sind die bei höheren Lebewesen vorkommenden psychischen und sozio-kulturellen, geschlechtsspezifischen und sich im Verhalten zeigenden Geschlechtsmerkmale.
Die insbesondere beim Menschen zum Tragen kommenden tertiären Geschlechtsmerkmale sind starken sozialen und kulturellen Unterschieden und Schwankungen unterworfen. Viele Phänomene können je nach Zusammenhang sowohl als soziales Rollenverhalten als auch als tertiäres Geschlechtsmerkmal etikettiert werden. Deshalb ist letzterer Begriff etwas umstritten. Benutzern des Begriffs "tertiäres Geschlechtsmerkmal" wird bisweilen vorgeworfen, sie verlegten rein sozial bedingte Rollenzwänge in das Individuum. Beispiel: "Frauen tragen Röcke, Männer nicht" - die Einhaltung dieser sozialen Rollennorm dient in vielen Kulturen der Unterscheidung zwischen den Geschlechtern und ist dort somit gleichzeitig tertiäres Geschlechtsmerkmal.
Feingliederung der primären Merkmale
Bei den primären Geschlechtsmerkmalen unterscheidet man:
- Chromosomales Geschlecht
- Geschlechtschromosomen, beim Menschen XX oder XY oder Abweichungen davon
- Gonadales Geschlecht
- Keimdrüsen (Hoden, Eierstöcke oder beides)
- Hormonelles Geschlecht
- Menge und Verhältnis der Geschlechtshormone
- Anatomisches Geschlecht
- (auch genitales Geschlecht) Vorhandene Geschlechtsorgane.
- Morphologisches Geschlecht
- Andere physische geschlechtsspezifische Unterschiede und/oder sekundäre Geschlechtsmerkmale.
Anomalien
Sind die primären und/oder sekundären Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig, spricht man von Intersexualität. Entsprechen insbesondere primäre und sekundäre Geschlechtsmerkmale nicht dem Identitätsgeschlecht, spricht man beim Menschen von Transgender.
Menschliche Geschlechtsmerkmale
Entwicklung
In den frühen Entwicklungsstadien sind die Geschlechtsmerkmale anatomisch kaum zu unterscheiden. Erst einige Zeit später sind beim Embryo die strukturellen Veränderung offensichtlich, sind aber bei Mann und Frau durchaus ähnlich; die gemeinsame ursprüngliche Struktur bleibt auch später erkennbar.
Mit Einsetzen der Pubertät reifen die Geschlechtsmerkmale aus. Dieser Prozess setzt grundsätzlich bei Mädchen eher ein als bei Jungen. Offensichtlich erfolgt die körperliche Veränderung in einer bestimmten Reihenfolge, wobei der jeweilige Zeitpunkt der einzelnen Entwicklungsschritte individuell verschieden ist und auch von anderen Faktoren (Umwelteinflüsse, Nahrungsangebot, usw.) abhängig ist. Für den Menschen sind im Wesentlichen folgende Geschlechtsmerkmale festzustellen:
Weibliche Geschlechtsmerkmale | |
Einteilung der Geschlechtsmerkmale bei der Frau
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Reihenfolge bei der Frau
Die geschlechtliche Vollreife tritt bei der Frau erst 4 - 6 Jahre nach
der ersten Menstruation ein. |
Männliche Geschlechtsmerkmale | |
Einteilung der Geschlechtsmerkmale beim Mann
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Reihenfolge beim Mann
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Kritik
Die 'simple' binäre - entweder weibliche oder männliche - Entwicklung von primären Geschlechtsmerkmalen ist innerhalb der Biologie umstritten. So haben neuere Forschungen gezeigt, dass zahlreiche Chromosomen (neben den Chromosomen X und Y auch die Chromosomen 1, 9, 11), zahlreiche Gene (mindestens 19 Gene bzw. 'deren Faktoren' (Proteine)) in die primäre Geschlechtsausbildung involviert sind. Diese 'Faktoren' wechselwirken intensiv miteinander, statt in einer hierarchischen Abfolge von Schritten hintereinander geschaltet zu sein. Auch die als "geschlechtlich" bezeichneten Hormone Östrogen, Progesteron und Testosteron kommen bei allen Menschen (sowohl Männern, als auch Frauen!) vor - ihre Konzentration ist individuell unterschiedlich und variiert insbesondere zeitlich (Burren/Rieder 2003; Schmitz 2006; Ebeling 2006). Dies deutet darauf hin, dass die primäre Geschlechtsentwicklung in mehr als zwei Richtungen möglich sein dürfte, bisher nur zahlreiche Möglichkeiten als "pathologisch", als "Abweichung" gedeutet wurden.
So stellte A. Fausto-Sterling heraus, dass Merkmale der Muskulatur, des Fettansatzes und des Knochenbaus biologisch nicht geschlechtlich verschieden seien. Diesbezügliche geschlechtliche Unterschiede seien in hohem Maß auf Sozialisationsprozesse zurückzuführen. So werde bspw. Mädchen in früher Jugend eine geringere Bewegungsfreiheit außerhalb der Wohnung eingeräumt (u.a. aus Vergewaltigungsangst der Eltern), gälten unterschiedliche Schönheitsmaßstäbe etc.. Besonders deutlich wird ein solch sozialer Einfluss bei der Ernährung: proteinreiche Kost befördert Größenwachstum, Unterernährung hemmt das Wachstum (Fausto-Sterling 1988 (1985), 300-312; Fausto-Sterling 2005).
Vermeintliche geschlechtliche Unterschiede im Gehirn stehen ebenso in der Kritik. So konnten in Folgestudien Geschlechtsunterschiede bei der Beteiligung der linken und rechten Hirnhälfte (diese hatte eine Studie des Ehepaars Shaywitz postuliert) in der Reimerkennung nicht mehr gezeigt werden. Vielmehr deutet sich an, dass sich Gehirnstrukturen insbesondere durch Sozialisationsprozesse ausprägen: das frühe oder späte Erlernen einer Zweit- oder Drittsprache, das Erlernen oder Nicht-erlernen des Spielens eines Musikinstruments, bei dem beide Hände synchron gebraucht werden, zeige sich auch in den Hirnstrukturen (Schmitz 2006b).
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 10.08. 2024