Faserprodukt
Das Faserprodukt (auch Pullback, kartesisches Quadrat oder Pullback-Quadrat) ist ein Begriff aus dem mathematischen Teilgebiet der Kategorientheorie. Zentrale Bedeutung kommt dem Faserprodukt in der algebraischen Geometrie zu.
Der Begriff des Faserproduktes ist dual zum Begriff des Pushout.
Faserprodukt von Mengen
Sind
und
zwei Abbildungen von Mengen, so ist das Faserprodukt von
und
über
die Teilmenge
des kartesischen
Produktes von
und
.
Faserprodukte in beliebigen Kategorien
Definition über Objekte
Sind Morphismen
und
in einer Kategorie
gegeben, so heißt ein Objekt
zusammen mit Morphismen
und
den sogenannten kanonischen Projektionen, ein Faserprodukt von
X und Y über S, wenn
und die folgende universelle
Eigenschaft erfüllt ist:
- Zu jedem Paar von Morphismen
von einem Testobjekt T nach X bzw. Y, für das
(als Morphismen
)
- gilt, gibt es genau einen Morphismus
- so dass
und
- gilt.
Anders formuliert: die Funktoren
und
sind via pr1 und pr2 natürlich äquivalent.
Definition über Morphismen
Bei einer allgemeineren Herangehensweise werden derartige Paare von
Morphismen
und
von einem Objekt
nach
bzw.
als Faserprodukt, Pullback, kartesisches oder
Pullback-Quadrat bezeichnet, für die gilt:
(als Morphismen
')
- jedes weitere Paar von Morphismen
und
von einem Objekt
nach
bzw.
, für die
gilt, ist über einen eindeutig bestimmten Morphismus
mit dem ersten Paar von Morphismen vertauschbar, d.h.
und
Die Morphismen von Pullbacks bilden ein kommutatives Diagramm:
Dieses Diagramm stellt einen Kegel
über dem Diagramm
dar, bei dem der „mittlere“ Pfeil (der zwischen
und
)
weggelassen wurde. Die zweite Bedingung drückt aus, dass das Pullback ein Limes
aller solchen Kegel ist. Man sagt,
entstehe durch Zurückziehen (engl. pull back) von
entlang
und
entstehe durch Zurückziehen von
entlang
Pullback-Kegel
Gelegentlich werden auch derartige Paare von Morphismen ()
von einem Objekt
nach
bzw.
,
für die lediglich
(als Morphismen
)
gilt, als Pullback-Kegel bezeichnet; Morphismen von Pullback-Kegeln
sind über entsprechende kommutative Diagramme definiert. Das Faserprodukt ist
dann ein Endobjekt
der Kategorie der möglichen Pullback-Kegel über dem Diagramm
Eindeutigkeit
Die Komponenten
und
des Faserproduktes aus der Definition über Morphismen müssen nicht eindeutig
bestimmt sein, sind aber eindeutig bis auf Isomorphie. D.h., ist
zusammen mit Abbildungen
und
ein weiteres derartiges Faserprodukt, so sind
und
isomorph und
und
eindeutig durch
und
bestimmt. Für ein und dasselbe Objekt
kann es ebenfalls verschiedene Möglichkeiten für die Morphismen
und
geben. Die verschiedenen Varianten sind dann aber wiederum durch einen
Isomorphismus (von
auf sich selbst) eindeutig durch einander bestimmt.
Auch
aus der Definition über Objekte ist im Allgemeinen nur ein Symbol für mehrere
mögliche, jeweils zueinander isomorphe Objekte. Es wird jedoch gewöhnlich eine
Standarddarstellung für
angegeben; z.B. in der Kategorie der Mengen die Menge:
Bezeichnung
Die Bezeichnungen werden nicht ganz einheitlich verwendet. Gemeinhin wird in mathematischen Texten mit Faserprodukt eher das sich ergebende Objekt der Produktbildung bezeichnet, während mit Pullback das sich ergebende Paar von Abbildungen bezeichnet wird. Hinzu kommt noch die verallgemeinerte Bezeichnung des Faserproduktes als „Produkt über …“. Mit kartesisches oder Pullback-Quadrat wird dann auch eher die Gesamtkonstruktion oder das Pullback-Diagramm bezeichnet. Letztlich werden die Bezeichnungen jedoch synonym gedeutet und werden nur unterschiedlich eingesetzt, um jeweils einen bestimmten Aspekt des Faserproduktes ins Zentrum der Betrachtung zu rücken.
Eigenschaften
- Ist
ein beliebiger Morphismus, so ist
- Sind
und
injektive Mengenabbildungen (allgemein Monomorphismen), so ist das Faserprodukt der Schnitt (der Bilder) von
und
- Ist
eine einelementige Menge, so ist das Faserprodukt isomorph zum kartesischen Produkt. Die Standarddarstellung (s.o.) des Faserproduktes in der Kategorie der Mengen ist dann identisch mit dem kartesischen Produkt. Ist allgemein
ein Endobjekt, so ist das Faserprodukt isomorph zum allgemeinen kategoriellen Produkt.
- Die Standarddarstellung (s.o.) Faserproduktes in der Kategorie der Mengen ist eine Untermenge des kartesischen Produktes. Allgemein gibt es stets einen Monomorphismus vom Faserprodukt in das allgemeine kategorielle Produkt
-
- (falls beide Konstruktionen existieren).
Beispiele
- Das Faserprodukt ist ein spezieller Limes. Aufgrund der Stetigkeit des jeweiligen Vergissfunktors ist in den folgenden Kategorien – deren Objekten stets Mengen zugrunde liegen – die zugrunde liegende Menge des Faserproduktes (in dieser Kategorie) gleich dem Faserprodukt (in der Kategorie der Mengen) der zugrunde liegenden Mengen:
-
- Gruppen, abelsche Gruppen, Ringe, Moduln, Vektorräume, topologische Räume, Banachräume.
- In der Kategorie der Schemata ist das Faserprodukt lokal durch Tensorprodukte gegeben. Es ist i.A. nicht das Faserprodukt der unterliegenden topologischen Räume!
- Der Gleichheitsverbund in der relationalen Algebra.
Faserprodukte in der algebraischen Geometrie
Die obige kategorielle Definition wird insbesondere in der algebraischen
Geometrie benutzt, um das Faserprodukt
zweier Schemata
mit gegebenen Morphismen
zu definieren.
Wenn
und
affine
Schemata sind, dann ist auch
ein affines Schema.
Aus
folgt nämlich
.
Dies gibt eine explizite Beschreibung (und beweist insbesondere die Existenz) des Faserprodukts affiner Schemata.
Eine explizite Beschreibung für Faserprodukte beliebiger Schemata erhält man
wie folgt. Sei
eine Überdeckung durch affine Schemata, und für alle
seien
jeweils Überdeckungen durch affine Schemata, dann ist
eine Überdeckung durch affine Schemata, insbesondere ist damit
als Schema definiert.
Für einen Punkt
eines Schemas bezeichne jeweils
den zugehörigen lokalen
Ring. Die Punkte des Faserprodukts
entsprechen dann bijektiv den Tupeln
mit
und einem Primideal
.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 08.01. 2021