Eigenspannung

Eigenspannungen sind mechanische Spannungen, die in einem Körper herrschen, an dem keine äußeren Kräfte angreifen. Sie können durch plastische Verformungen, inhomogenes Gefüge oder thermische Einflüsse verursacht werden. Mit den Eigenspannungen eng verbunden sind auch Verformungen (z.B. Verzug beim Schweißen).

Einteilung

Einteilung nach Ausdehnung:

Einteilung nach Zeitverlauf:

Thermische (Eigen-)Spannungen entstehen durch Temperatureinflüsse.

Eigenspannungen können auch durch Diffusionsvorgänge hervorgerufen werden, wenn inhomogene Einlagerung oder Austreiben von im Festkörper gelösten Fremdstoffen zu Volumenänderungen führt.

Ursachen

Die Ursachen von Eigenspannungen können thermisch, physikalisch oder chemisch induziert sein (Beispiele):

Durch Eindiffusion von Fremdstoffen in Festkörperoberflächen kann es dort zu Druckeigenspannungen kommen. Gleiches ist bei Ionenimplantation zu beobachten.

Starke Eigenspannungen sind auch in dünnen Schichten zu beobachten.

Ermittlung

Da Eigenspannungen eine intrinsische Größe darstellen, ist eine Messung im klassischen Sinne nicht möglich. Vielmehr werden Begleiterscheinungen gemessen, welche in die zugrunde liegende Eigenspannung überführt werden können. Hierbei wird zwischen zerstörungsfreien oder zerstörenden Verfahren unterschieden. Bei den zerstörenden Methoden (Sägeschnittverfahren, Bohrlochmethode, Ringkernmethode) wird eigenspannungsbehaftetes Material mechanisch (i.d.R. mit Hochgeschwindigkeitsfräsen) oder mittels Elektroerosion abgetragen. Die dabei freigesetzte Eigenspannung führt zu einer Deformation des umliegenden Materials, welche i.d.R. mit Dehnungsmessstreifen gemessen wird. Durch geeignete Korrelationen können diese Verformungen in die zugrunde liegende Eigenspannung umgerechnet werden. Im Fokus aktueller Forschung liegen Verfahren, bei denen die Dehnungsermittlung optisch erfolgt (z.B. digitaler Bildkorrolation oder Holografie) und der Materialabtrag durch ein Laserablationssystem substituiert wird.

Bei der zerstörungsfreien Methode (z.B. Röntgenografische Systeme, Elektronenrückstreubeugung) wird die Verzerrung des Metallgitters infolge der herrschenden Spannung ermittelt. Hierbei werden energiereiche Röntgenstrahlen in das zu untersuchende Werkstück eingebracht. Die Reflexion der Strahlung äußert sich dann als spezifisches Diffraktionsmuster, welches direkte Rückschlüsse auf die Höhe der zugrunde liegenden Eigenspannungen ermöglicht. Dieses Verfahren ist zunächst nur auf sehr oberflächennahe Bereiche begrenzt, bei Stahl liegt die Informationstiefe im Bereich einiger Mikrometer. Durch elektrochemisches Abtragen dünner Schichten und geeignetes Rückrechnen der dabei ausgelösten Spannungen können jedoch auch Eigenspannungs-Tiefenverläufe ermittelt werden. Energiereichere Verfahren (Neutronenquellen) erlauben größere Eindringtiefen.

Eigenspannungen in dielektrischen bzw. durchsichtigen Materialien können anhand der Spannungsdoppelbrechung ermittelt werden.

Beispiele, Auswirkungen, Anwendungen

Schweißeigenspannungen führen zum Verzug der Bauteile. Man versucht zwar, dem zu begegnen, indem man beispielsweise symmetrisch gelegene Blindnähte anbringt – die festigkeitsverringernden Nachteile bleiben jedoch erhalten. U.a. besonders sicherheitsrelevante Schweißverbindungen wie in Atomkraftwerken oder großen Gasleitungen werden nach dem Schweißen spannungsarm getempert.

Glasuren können durch Eigenspannungen Risse erleiden – teilweise ist das aus dekorativen Gründen erwünscht (Krakelee).

Dünne Schichten geraten während des Herstellungsprozesses teilweise unter sehr hohe Eigenspannungen.

Zugeigenspannungen an der Oberfläche wirken sich negativ auf die Dauerfestigkeit eines Bauteils aus. Dagegen bewirken oberflächennahe Druckspannungen eine Erhöhung der Schwingfestigkeit, da an der Oberfläche vorliegende An- und Mikrorisse überdrückt sind und sich nicht ausbreiten können.

Um Oberflächen zur Festigkeitssteigerung unter Druckspannung zu bringen, werden Metall-Oberflächen oft kugelgestrahlt. Schweißnahtübergänge werden mehr und mehr mit dem hochfrequenten Hämmerverfahren HiFIT (High Frequency Impact Treatment) behandelt. Dies wirkt sich günstig auf die Ermüdungsfestigkeit (Materialermüdung) aus. Glasoberflächen können hierzu chemisch behandelt werden (Chemisch gehärtetes bzw. vorgespanntes Glas) oder sie werden (wie im Falle des Einscheiben-Sicherheitsglases) bei der Erstarrung im noch weichen Zustand aus Luftdüsen angeblasen, um latente thermische Eigenspannungen zu erzeugen. Bei Spannbeton nimmt die Stahlkomponente die Zugspannungen auf, um den Beton davor zu schützen.

Siehe auch

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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 26.07. 2024