Prädikatenlogik erster Stufe
Die Prädikatenlogik erster Stufe ist ein Teilgebiet der mathematischen Logik. Sie befasst sich mit der Struktur gewisser mathematischer Ausdrücke und dem logischen Schließen, mit dem man von derartigen Ausdrücken zu anderen gelangt. Dabei gelingt es, sowohl die Sprache als auch das Schließen rein syntaktisch, das heißt ohne Bezug zu mathematischen Bedeutungen, zu definieren. Das dadurch ermöglichte Zusammenspiel von rein syntaktischen Überlegungen einerseits und semantischen Betrachtungen andererseits führt zu wichtigen Erkenntnissen, die Bedeutung für die gesamte Mathematik haben, denn diese lässt sich mittels der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre in der Prädikatenlogik erster Stufe formulieren. Im Unterschied zur Aussagenlogik macht die Prädikatenlogik von Quantoren Gebrauch.
Ein motivierendes Beispiel
Die unten aufzustellenden Definitionen sollen am Beispiel der Theorie der
geordneten
abelschen Gruppen motiviert werden. Eine geordnete abelsche Gruppe besteht
zunächst aus einer abelschen
Gruppe ,
das heißt man hat folgende Eigenschaften
- Assoziativgesetz:
Für alle
gilt:
.
- Kommutativgesetz:
Für alle
gilt:
.
- Neutrales
Element 0: Für alle
gilt:
.
- Inverses
Element: Für alle
gibt es ein
, sodass gilt:
.
In mathematischer Kurzschreibweise kann man das auch als
wiedergeben. Dabei schreiben wir
an Stelle des oft verwendeten
,
da wir hier ohnehin über nichts anderes als die Elemente der Gruppe aussagen
wollen. Ferner haben wir eine
-Relation
für die Ordnung auf der Gruppe, die den folgenden Axiomen genügen muss, die hier
gleich in Kurzschreibweise angegeben werden:
- Reflexivität:
- Transitivität:
- Gruppenverträglichkeit:
Beispiele für geordnete abelsche Gruppen sind etwa
oder
.
Insgesamt haben wir einige der sogenannten logischen
Symbole
verwendet, Klammern als Hilfssymbole, ferner das Gleichheitszeichen und
Variablen für die Elemente. Die für die Theorie der geordneten abelschen Gruppen
charakteristischen Symbole sind die Konstante 0, die Funktionen + und
– sowie die Relation
,
wobei die in der Mathematik üblichen Schreibweisen benutzt wurden, das heißt
statt
bzw.
statt
.
Die beiden Funktionen haben unterschiedliche Stelligkeit,
+ ist zweistellig, die Inversenbildung – ist einstellig, die betrachtete
Ordnungsrelation ist zweistellig. Damit sind die Symbole einer ganz bestimmten
Sprache beschrieben, in der man die Theorie der geordneten abelschen Gruppen
formulieren kann. Manche der aus den Symbolen gebildeten Zeichenketten sind
"vernünftig", d.h. nach gewissen Gesetzmäßigkeiten gebildet, und manche
von diesen drücken darüber hinaus "wahre Aussagen" aus. Dies wird im Folgenden
verallgemeinert, insbesondere wird der Unterschied zwischen den nach Regeln
gebildeten "vernünftigen" Zeichenketten und einem möglichen "Wahrheitsgehalt"
solcher Zeichenketten herausgearbeitet sowie sich daraus ergebende Konsequenzen.
Diese haben für die gesamte Mathematik Bedeutung.
Die Sprache der Prädikatenlogik erster Stufe
Wir beschreiben hier die verwendete Sprache auf rein syntaktische Weise, das heißt, wir legen die betrachteten Zeichenketten, die wir Ausdrücke der Sprache nennen wollen, ohne Bezug auf ihre Bedeutung fest.
Symbole
Eine Sprache erster Stufe wird aus folgenden Symbolen aufgebaut:
- sogenannte Variablensymbole
,
- eine (möglicherweise leere) Menge
von Konstantensymbolen,
- eine (möglicherweise leere) Menge
von Funktionssymbolen,
- eine (möglicherweise leere) Menge
von Relationssymbolen.
Das Kommazeichen "," wird hier nur als Trennzeichen für die Aufzählung der Symbole benutzt, es ist nicht Symbol der Sprache.
Terme
Die nach folgenden Regeln aufgebauten Zeichenketten heißen Terme:
- Ist
ein Variablensymbol, so ist
ein Term.
- Ist
ein Konstantensymbol, so ist
ein Term.
- Ist
ein einstelliges Funktionssymbol und ist
ein Term, so ist
ein Term.
- Ist
ein zweistelliges Funktionssymbol und sind
Terme, so ist
ein Term.
- Ist
ein dreistelliges Funktionssymbol und sind
Terme, so ist
ein Term.
- und so weiter für 4,5,6,...-stellige Funktionssymbole.
Ist zum Beispiel
eine Konstante und sind
und
ein- bzw. zweistellige Funktionssymbole, so ist
ein Term, da er sich durch Anwendung obiger Regeln erstellen lässt:
ist ein Term, daher auch
;
und
sind Terme, daher auch
und damit schließlich auch
.
Wir verzichten hier auf Klammern und Kommata als Trennzeichen, das heißt, wir
schreiben
und nicht
.
Wir setzen damit implizit voraus, dass unsere Symbole derart beschaffen sind,
dass eine eindeutige Lesbarkeit gewährleistet ist.
Die Regeln für die Funktionssymbole fasst man oft so zusammen:
- Ist
ein n-stelliges Funktionssymbol und sind
Terme, so ist
ein Term.
Damit ist nichts anderes als die oben angedeutete unendliche Folge von Regeln
gemeint, denn die drei Punkte
gehören nicht zu den vereinbarten Symbolen. Dennoch wird manchmal von dieser
Schreibweise Gebrauch gemacht.
Über den Aufbau der Terme lassen sich weitere Eigenschaften definieren. So definieren wir offenbar durch die folgenden drei Regeln rekursiv, welche Variablen in einem Term vorkommen:
- Ist
ein Variablensymbol, so sei
.
- Ist
ein Konstantensymbol, so sei
.
- Ist
ein n-stelliges Funktionssymbol und sind
Terme, so sei
.
Ausdrücke
Wir erklären nun durch Bildungsgesetze, welche Zeichenketten wir als Ausdrücke der Sprache ansehen wollen.
Atomare Ausdrücke
- Sind
und
Terme, so ist
ein Ausdruck.
- Ist
ein einstelliges Relationssymbol und ist
ein Term, so ist
ein Ausdruck.
- Ist
ein zweistelliges Relationssymbol und sind
Terme, so ist
ein Ausdruck.
- und so weiter für 3,4,5,...-stellige Relationssymbole.
Dabei gelten die oben zur Schreibweise bei Termen gemachten Bemerkungen.
Zusammengesetzte Ausdrücke
Wir beschreiben hier, wie sich aus Ausdrücken weitere gewinnen lassen.
- Ist
ein Ausdruck, so ist auch
ein Ausdruck.
- Sind
und
Ausdrücke, so sind auch
,
,
und
Ausdrücke.
- Ist
ein Ausdruck und ist
eine Variable, so sind auch
und
Ausdrücke.
Damit sind alle Ausdrücke unserer Sprache festgelegt. Ist zum Beispiel
ein einstelliges Funktionssymbol und
ein 2-stelliges Relationssymbol, so ist
ein Ausdruck, da er sich durch Anwendung obiger Regeln aufbauen lässt. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass wir die Ausdrücke mittels der genannten Regeln rein mechanisch erstellen, ohne dass die Ausdrücke zwangsläufig irgendetwas bezeichnen müssten.
1. Stufe
Unterschiedliche Sprachen erster Stufe unterscheiden sich lediglich in den
Mengen ,
und
,
die man üblicherweise zur Symbolmenge
zusammenfasst und auch die Signatur der Sprache nennt. Man spricht dann
auch genauer von
-Termen
bzw.
-Ausdrücken.
Die Sprache, das heißt die Gesamtheit aller nach obigen Regeln gebildeten
Ausdrücke, wird mit
,
oder
bezeichnet. Bei letzterem steht die römische
für die erste Stufe. Dies bezieht sich auf den Umstand, dass gemäß letzter
Erzeugungsregel nur über Variable quantifiziert werden kann.
sieht nicht vor, über alle Teilmengen einer Menge oder über alle Funktionen zu
quantifizieren. So lassen sich die üblichen Peano-Axiome
nicht in
ausdrücken, da das Induktionsaxiom eine Aussage über alle Teilmengen der
natürlichen Zahlen macht. Das kann als Schwäche dieser Sprache angesehen werden,
allerdings sind die Axiome der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre
sämtlich in der ersten Stufe mit dem einzigen Symbol
formulierbar, so dass die erste Stufe prinzipiell für die Mathematik
ausreicht.
Freie Variablen
Weitere Eigenschaften von Ausdrücken der Sprache
lassen sich ebenfalls rein syntaktisch definieren. Gemäß dem oben beschriebenen
Aufbau durch Bildungsregeln definieren wir die Menge
der im Ausdruck
frei vorkommenden Variablen wie folgt:
und genauso für
Nicht-freie Variable heißen gebundene Variable. Ausdrücke
ohne freie Variable, das heißt solche mit
,
nennt man Sätze. Sämtliche in obigem motivierenden Beispiel angegebenen
Axiome der geordneten abelschen Gruppen sind bei entsprechender Übersetzung in
die Sprache
Sätze, so zum Beispiel
für das Kommutativgesetz.
Metasprachliche Ausdrücke
Das gerade gegebene Beispiel
als Symbolisierung des Kommutativgesetzes in der Sprache
zeigt, dass die entstehenden Ausdrücke oft schwer lesbar sind. Daher kehrt der
Mathematiker, und oft auch der Logiker, gern zur klassischen Schreibweise
zurück. Letzteres ist aber kein Ausdruck der Sprache
sondern nur eine Mitteilung eines solchen Ausdrucks unter Verwendung anderer
Symbole einer anderen Sprache, hier der sogenannten Metasprache,
das heißt derjenigen Sprache, in der man über
spricht. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit lässt man auch gern überflüssige
Klammern weg. Das führt nicht zu Problemen, solange klar bleibt, dass man die
leichter lesbaren Zeichenketten jederzeit zurückübersetzen könnte.
Substitutionen
Häufig werden in der Mathematik Variablen durch Terme ersetzt. Auch das lässt
sich hier rein syntaktisch auf Basis unserer Symbole erklären. Durch folgende
Regeln legen wir fest, was es bedeuten soll, den Term
für eine Variable
einzusetzen. Wir folgen dabei wieder dem regelhaften Aufbau von Termen und
Ausdrücken. Die Ersetzung wird als
notiert, wobei die eckigen Klammern weggelassen werden dürfen.
Für Terme
wird die Einsetzung
wie folgt definiert:
- Ist
ein Variablensymbol, so ist
gleich
falls
und
sonst.
- Ist
ein Konstantensymbol, so ist
.
- Sind
ein n-stelliges Funktionssymbol und
Terme, so ist
.
Für Ausdrücke schreiben wir eckige Klammern um den Ausdruck, in dem die Substitution vorgenommen werden soll. Wir legen fest:
und genauso für
; analog für den Quantor
falls
und
; analog für den Quantor
falls
und
, wobei
eine Variable sei, die nicht in
oder
vorkommt, zum Beispiel die erste der Variablen
, die diese Bedingung erfüllt. Die analoge Festlegung wird für
getroffen.
Bei dieser Definition wurde darauf geachtet, dass Variablen nicht
unbeabsichtigt in den Einflussbereich eines Quantors geraten. Falls die
gebundene Variable
im Term auftritt, so wird diese zuvor durch eine andere ersetzt, um so die
Variablenkollision zu vermeiden.
Schlussbemerkung zur Syntax
Es sei noch einmal betont, dass alles bisher Gesagte nur den Aufbau
beziehungsweise die Manipulation gewisser Zeichenketten beschreibt, es handelt
sich um rein syntaktische Begriffe. Weder den Zeichenketten noch ihren
Manipulationen sind irgendwelche Bedeutungsinhalte zugeordnet.
Selbstverständlich liest man unwillkürlich die "Bedeutungen", die durch obiges
Beispiel suggeriert sind, mit, das heißt man liest ein
als "für alle" und ein
als "und" und kann sich nur schwer von ihren "umgangssprachlichen Bedeutungen"
frei machen. Man sollte sich aber darüber im Klaren sein, dass eine solche
"Bedeutung" für die vorgestellten Begriffsbildungen nicht erforderlich ist und
an keiner Stelle verwendet wird. Es ist ein wesentlicher Punkt, dass die
intendierte Bedeutung dieser Zeichenketten, ihre Semantik, erst in einem im
Folgenden vorgestellten Schritt hinzugefügt wird.
Semantik
Wir gehen von einer Sprache
aus. Die nach obigen Regeln in dieser Sprache gebildeten Ausdrücke sollen nun
mit mathematischen Strukturen in Verbindung gebracht werden. In diesen
Strukturen kann man die Ausdrücke dann auf ihren Wahrheitsgehalt hin
untersuchen, was im Folgenden präzisiert wird.
Strukturen
Eine Struktur
über einer Signatur
ist eine nicht-leere Menge
zusammen mit
- einem Element
für jedes Konstantensymbol
,
- einer Funktion
für jedes
-stellige Funktionssymbol
,
- einer Relation
für jedes
-stellige Relationssymbol
.
Im eingangs gegebenen Beispiel geordneter abelscher Gruppen ist
eine
-Struktur.
Durch
-Strukturen
werden also die Symbole aus
mit „echten“ Konstanten, Funktionen und Relationen in Zusammenhang gebracht.
Interpretationen
Eine Interpretation
von
ist ein Paar
bestehend aus einer
-Struktur
und einer Abbildung
.
Man verbindet damit die Vorstellung, dass die Struktur das mathematische
Objekt ist, das mit der Sprache beschrieben werden soll, während
die Variablen mit Werten aus der Grundmenge
belegt, weshalb man diese Abbildung auch Belegung nennt. Die Belegung
einer Interpretation kann leicht auf Terme ausgedehnt werden, diese Ausdehnung
hängt von der Interpretation der Konstantensymbole und Funktionssymbole ab und
wird daher ebenfalls mit
bezeichnet; man legt fest:
- Ist
eine Variable, so sei
.
- Ist
ein Konstantensymbol, so sei
.
- Ist
ein n-stelliges Funktionssymbol und sind
Terme, so sei
.
Setzt man etwa ,
so ist
eine solche Interpretation. Dann gilt
.
Ändern wir eine Belegung nur an der Stelle
ab und bilden dieses
auf
ab, so schreiben wir
für die so abgeänderte Belegung und
.
Oft ist die Belegung der Variablen klar oder unwichtig; dann nennen wir, etwas
unsauber aber praktisch, auch die Struktur
eine Interpretation.
Modelle
Wir wollen sagen, dass eine Interpretation
ein Modell für einen
Ausdruck
ist und dafür
schreiben, wenn sich dies auf Grund folgender Regeln ergibt:
Diese Definition orientiert sich wieder am regelhaften Aufbau der Ausdrücke
der Sprache .
Die Pünktchenschreibweise in der zweiten Regel steht hier wieder für eine Liste
von Regeln, für jede Stelligkeit eine.
Durch den Begriff der Interpretation wurden die Variablen und die Symbole aus
mit einer Bedeutung versehen. Durch die gerade definierte Modellbeziehung werden
erstmals auch die logischen Symbole interpretiert.
Für eine Menge
von Ausdrücken schreiben wir
,
wenn
für alle
gilt, und sagen
sei ein Modell von
.
Bezeichnet
etwa die oben genannten Axiome der geordneten abelschen Gruppen, so gilt
genau dann, wenn
eine geordnete abelsche Gruppe ist.
Dabei scheint die Belegung
keine Rolle zu spielen, da
nur aus Sätzen besteht, also keine freien Variablen enthält. Das ist tatsächlich
der Fall, wie das sogenannte Koinzidenzlemma
aussagt. In einem solchen Fall kann man
weglassen und einfach
schreiben. Damit ist dann ausgesagt, dass
für jede Belegung
ein Modell aller Ausdrücke aus
ist.
Gleichheit
Zur Verwendung der Gleichheit ist anzumerken, dass wir in der Sprache erster
Stufe das Symbol
eingeführt haben. Ein Ausdruck der Form
ist kein Ausdruck der Sprache erster Stufe sondern die metasprachliche
Behauptung der Gleichheit der beiden Ausdrücke
und
.
Letzteres lässt sich in der Sprache erster Stufe gar nicht symbolisieren, dort
können nur Terme gleich sein. Parallel zum hier betrachteten Aufbau gibt es auch
die Prädikatenlogik erster Stufe ohne Gleichheit, dazu entfernt man das
Symbol
und die es betreffende Bildungsregel. Zwar kann man die Gleichheit dann über
eine Relation wieder ins Spiel bringen, setzt diese dann aber Interpretationen
aus, so dass man nicht dasselbe erhält wie eine Logik mit Gleichheit. Die
logische Gleichheit
hingegen bedeutet in jeder Interpretation Gleichheit von Individuen, und das ist
der Grund, warum man Logiken mit Gleichheit betrachtet.
Mathematisches Schließen
Folgerungen
Es sei
eine gegebene Menge von Ausdrücken, zum Beispiel obige Axiome der geordneten
abelschen Gruppen. Der Mathematiker interessiert sich dafür, welche Folgerungen
aus ihnen gezogen werden können. Wir sagen, der Ausdruck
folge aus
und schreiben dafür
,
wenn jedes Modell von
auch Modell von
ist. Das ist die sogenannte semantische Schlussweise, da sie Bezug auf alle
möglichen Interpretationen der Symbole nimmt.
Sequenzenkalkül
In der Regel schließt der Mathematiker nicht semantisch, sondern er wendet
gewisse Schlussregeln an, mit denen er sich von einer Aussage zur nächsten bis
zur Behauptung vorarbeitet. Ausgehend von einer gegebenen Folge
von Ausdrücken geht er zu neuen Folgen
über, um am Ende mit einer Folge
„bewiesen“ zu haben, dass
aus
folgt. Der „Beweis“ ist dabei eine endliche Liste solcher Folgen. Hier werden
einige solcher Schlussregeln vorgestellt, ihr inhaltlicher Hintergrund
beleuchtet und anschließend mit der semantischen Schlussweise verglichen. In
nennt man
das Antezedens und die nachfolgenden Ausdrücke das Sukzedens.
Voraussetzungsregel:
ist eine erlaubte Folge, wenn
.
Dahinter steckt der einfache Tatbestand, dass man jederzeit eine der
Voraussetzungen aus
verwenden darf.
Antezedensregel: Falls man
bereits hat, so kann man zu
übergehen, falls
.
Wenn man nämlich von
auf
schließen kann, so kann man das erst recht unter noch stärkeren Voraussetzungen
tun.
Fallunterscheidung: Falls man
und
bereits hat, so kann man zu
übergehen. Man kann im Falle
von
auf
schließen, und auch im Falle von
.
Daher kann man in jedem Fall von
auf
schließen.
Widerspruch: Falls man
und
bereits hat, so kann man zu
übergehen. Nimmt man nämlich im Sinne eines Widerspruchsbeweises an, dass
,
so ergibt sich aus den Voraussetzungen sowohl
als auch
,
insgesamt also ein Widerspruch. Daher war die Annahme
falsch und man kann auf
schließen.
Odereinführung im Antezedens: Falls man
und
bereits hat, so kann man zu
übergehen. Unter den Voraussetzungen
ergibt sich
sowohl aus
als auch aus
.
Daher ergibt sich
bereits, wenn
oder
gilt.
Odereinführung im Sukzedens: Falls man
bereits hat, so kann man zu
übergehen. Das ist klar, da mit
erst recht
gilt. Entsprechend kann man auch zu
übergehen.
Gleichheit: Man kann jederzeit den Ausdruck
hinschreiben, wobei
ein beliebiger Term ist. Diese Regel bedarf keiner Erläuterung.
Die noch folgenden drei Schlussregeln verwenden die oben definierte Substitution von Variablen durch Terme:
Substitution: Falls man
bereits hat, so kann man zu
übergehen. Wenn man aus
auf
,
das heißt auf
mit der Ersetzung
an Stelle von
,
schließen kann, so auch auf
mit der Ersetzung
an Stelle von
,
falls
gleich
ist.
Existenzeinführung im Antezedens: Falls man
bereits hat, so kann man zu
übergehen. Um mit der Existenzvoraussetzung
arbeiten zu können, darf man ein
verwenden, für das
gilt. In Beweisen, die diese Regel verwenden, heißt dann nach der
Existenzvoraussetzung: Sei
so ein ...
Existenzeinführung im Sukzendens: Falls man
bereits hat, so kann man zu
übergehen. Auch diese Regel ist einsichtig, denn wenn man mit
ein Beispiel für
gefunden hat, so kann man auf die Existenzaussage schließen und das Beispiel
dabei nicht mehr erwähnen.
Die hier vorgestellten Regeln, die den sogenannten Sequenzenkalkül bilden,
sind logisch schlüssig, wie als Zusatz zu jeder Regelnennung ausgeführt wurde.
Mathematiker verwenden noch einige andere Schlussregeln, von denen aber gezeigt
werden kann, dass sie alle aus den oben genannten hergeleitet werden können, das
heißt, ihre Anwendung kann durch eine endliche Kette obiger Regeln ersetzt
werden. Wenn man ausgehend von
nach endlich vielen Anwendungen dieser Regeln zu
gelangt ist, so ist damit
aus
logisch schlüssig abgeleitet, wir schreiben dafür
.
Im Gegensatz zur oben erklärten semantischen Schlussweise sind die „Beweise“
rein syntaktischer Natur, man kann sie als Manipulation von Zeichenketten der
betrachteten Sprache ansehen. Um die Schlussregeln anwenden zu können, muss man
nicht wissen, was die Symbole bedeuten.
Vollständigkeit und Korrektheit
Ist die Interpretation
ein Modell für eine Menge
von Ausdrücken der Sprache
und ist
,
so ist
auch ein Modell für
,
denn der mit
einhergehende Beweis lässt sich ja ohne Weiteres direkt im Modell ausführen. Es
gilt also der sogenannte Korrektheitssatz,
dass aus
stets
folgt.
Umgekehrt wäre es durchaus denkbar, dass es zu einer Ausdrucksmenge
nur einige wenige Modelle gibt, die zufällig eine in der Sprache erster Stufe
ausdrückbare Eigenschaft
gemeinsam haben, ohne dass es dazu eine Möglichkeit gäbe, sie durch obige
syntaktische Zeichenkettenoperationen aus
ableiten zu können. Dass dies nicht der Fall ist, sondern dass semantische und
syntaktische Schlussweisen gleichwertig sind, ist als Gödelscher
Vollständigkeitssatz bekannt und ein zentrales Ergebnis der Prädikatenlogik
erster Stufe. Man kann zeigen, dass sich zu einer Prädikatenlogik
zweiter Stufe, in der man Quantifizierungen über Relationen zulässt, kein
zur semantischen Schlussweise gleichwertiger Sequenzenkalkül finden lässt.
Eigenschaften
Erfüllbarkeitssatz
Eine Menge
von Ausdrücken der Sprache
heißt widerspruchsfrei, wenn sich kein Ausdruck der Form
aus
ableiten lässt. Damit ist Widerspruchsfreiheit ein rein syntaktischer Begriff.
Es gilt folgender Erfüllbarkeitssatz, der sich aus dem Satz von Henkin
herleiten lässt und eng mit dem Gödelschen Vollständigkeitssatz verbunden
ist:
- Zu jeder widerspruchsfreien Menge
gibt es ein Modell.
Kompaktheitssatz
- Kompaktheitssatz
: Ist
eine Menge von Ausdrücken der Sprache
und gibt es zu jeder endlichen Teilmenge von
ein Modell, so gibt es auch ein Modell für
.
Gäbe es nämlich kein Modell für ,
so wäre
nach dem Erfüllbarkeitssatz nicht widerspruchsfrei, und es gäbe dann eine
Ableitung
.
Da ein Beweis aber nur eine endliche Länge hat und daher auch nur endlich viele
der Ausdrücke aus
involvieren kann, muss es bereits eine endliche Teilmenge
geben mit
>.
Nach dem Vollständigkeitssatz folgt
,
das heißt, es kann für
kein Modell geben, im Widerspruch zur Voraussetzung.
Der Endlichkeitssatz wird auch Kompaktheitssatz genannt: Man wähle zu jeder
widerspruchsfreien Menge
von Sätzen ein Modell
und fasse die so gefundenen Modelle zu einer Menge
zusammen. Für einen Satz
sei
.
Dann bilden die Mengen
>
die Basis
einer Topologie auf
und der Endlichkeitssatz ist zur Kompaktheit
dieses Raums äquivalent.
Isomorphien
Aus dem Endlichkeitssatz folgt:
- Gibt es zu einer Menge
von Ausdrücken der Sprache
ein unendliches Modell, so gibt es Modelle beliebig hoher Mächtigkeit.
Ist nämlich
gegeben und ist
eine Kardinalzahl,
so sei
eine Menge von nicht in
enthaltenen Konstantensymbolen. Jede endliche Teilmenge von
hat dann ein Modell in der Sprache
,
wobei
die um die neuen Konstantensymbole erweiterte Symbolmenge sei. Wegen des
Endlichkeitssatzes gibt es dann ein Modell für
,
und das hat mindestens die Mächtigkeit
.
Mit etwas genauerer Argumentation kann man sogar ein Modell der Mächtigkeit
finden, falls die Mächtigkeit von
kleiner gleich
ist.
Hier zeigt sich eine Schwäche der Prädikatenlogik erster Stufe. Mittels der Sprache der ersten Stufe kann für Ausdrucksmengen mit unendlichen Modellen niemals eine Charakterisierung bis auf Isomorphie gelingen, denn die Klasse aller Modelle zu einer solchen widerspruchsfreien Menge von Ausdrücken enthält stets Modelle beliebig hoher Mächtigkeit, also auch nicht isomorphe Modelle. Man nennt zwei Modelle elementar äquivalent, wenn die Mengen der Ausdrücke, für die sie Modelle sind, übereinstimmen. Die Sprachen erster Stufe können daher unendliche Strukturen bzw. Modelle nur bis auf elementare Äquivalenz charakterisieren.
Löwenheim-Skolem-Theorem
Ebenfalls aus dem Satz von Henkin lässt sich das Löwenheim-Skolem-Theorem ableiten:
- Gibt es zu einer höchstens abzählbaren Menge
von Ausdrücken der Sprache
ein unendliches Modell, so gibt es auch ein abzählbares Modell.
Im einleitenden Beispiel ist
ein abzählbares Modell. In vielen mathematischen Theorien lassen sich diese sehr
leicht finden, in der Modelltheorie
hat das Löwenheim-Skolem-Theorem aber tiefgehende Anwendungen.
Satz von Lindström
Wegen oben genannter Schwächen der Sprache erster Stufe kann man nach geeigneten Erweiterungen suchen. Wenn man auf diese Weise echt ausdrucksstärkere Sprachen findet, was natürlich noch zu präzisieren wäre, so zeigen die Sätze von Lindström, dass man dann auf den Endlichkeitssatz oder auf den Satz von Löwenheim-Skolem verzichten muss. Will man beide Sätze beibehalten, so ist die Prädikatenlogik erster Stufe also „das Beste“, was man erreichen kann.
Siehe auch
- Logik höherer Stufe für weitere Erweiterungen der Logik
- Gödelscher Unvollständigkeitssatz, ein grundlegender Satz der Prädikatenlogik erster Stufe und der mathematischen Logik überhaupt
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 28.02. 2021