Herbizid

Herbizide (lateinisch herba ‚Kraut‘, ‚Gras‘ und lat. caedere ‚töten‘) oder Unkrautbekämpfungsmittel sind Substanzen, die störende Pflanzen abtöten sollen. Sie werden vor allem in der Landwirtschaft eingesetzt, aber auch auf Nicht-Kulturland.

Kulturpflanzen stehen im Wettbewerb mit Unkräutern - die Guten gegen die Bösen - um Wasser, Nährstoffe und Licht. Dichter Unkrautbewuchs kann die Ernte sehr erschweren und deutlich vermindern. Unkräuter können manuell, mit Maschinen oder mit Herbiziden dezimiert werden.

Man unterscheidet dabei zwischen selektiven Herbiziden, die gegen bestimmte Pflanzen wirken und Breitband- oder Totalherbiziden, die gegen sehr viele Pflanzen wirken. Während des Vietnamkrieges wurden im Zuge der Operation Ranch Hand Herbizide (insb. Agent Orange) auch zu militärischen Zwecken als Entlaubungsmittel verwendet.

Mutmaßlich durch Abdrift geschädigter Ahorn-Baum am Parkplatz Magaretenhof Schwerin am 25. August 2012

Geschichte

Um 1851 verwendete man Eisensulfat, ab 1896 Kupfersulfat und Schwefelsäure zur Bekämpfung von Unkräutern. Später wurden Natriumchlorat (1926) und Dinitrokresol (DNOC) verwendet.

Im Jahr 1942 wurde die 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure (2,4-D) als erstes hochwirksames Herbizid entwickelt.

Zwischen 1945 und 1960 folgten Thiocarbamate und Phenylharnstoffe. Zwischen 1960 und 1980 wurden Triazine (z.B. Atrazin), Diphenylether-Herbizide, Nitrile (z.B. Bromoxynil), Carbamate und Chloracetamide (z.B. Alachlor) als Herbizide verwendet. Zwischen 1980 und 1990 folgten Sulfonylharnstoffe, Aminosäurederivate (z.B. Glyphosat, Glufosinat) und Imidazoline. Neuere Herbizide wie Metazachlor können auch auf die bereits aufgelaufene Kultur (z.B. Winterraps) ausgebracht werden, die durch Züchtung resistent gegen diese Behandlung ist.

Anwendung von Herbiziden

Die Aufbringung auf das Feld erfolgt in wässrigen Suspensionen. Hersteller bieten Wirkstoffsuspensionen in Emulgaten und Pulvern an, die mit Wasser verdünnt werden. Setzt man die Herbizide vor oder während der Saat ein, so nennt man sie Vorauflauf-Herbizide. Nachauflauf-Herbizide verwendet man nach der Bildung von ersten Keimblättern.

Mobilität

Systemische Herbizide verteilen sich nach der Aufnahme in der Pflanze. Wenn ein Wirkstoff nur im Xylem mobil ist, kann er nach oben, aber nicht nach unten verlagert werden.

  log Kow
Mobilität –3 bis 0 (hydrophil) 0 bis 3 3 bis > 6 (lipophil)
Nicht-systemisch     Trifluralin
mobil im Xylem   Triazine, Phenylharnstoffe Diflufenican, Diphenylether-Herbizide
mobil in Xylem und Phloem Glyphosat, Glufosinat, Amitrol Wuchssstoffe, Sulfonylharnstoffe, Imidazolinone, DIMs  

Wichtige Gruppen von Herbiziden

In einer Pflanzenzelle sind die Chloroplasten für die Umwandlung von Kohlendioxid und Wasser zu Kohlenhydraten verantwortlich. In diesen Stoffwechsel greift die Mehrzahl der Herbizide ein.

Breitbandherbizide

Photosynthesehemmer

Diese Wirkstoffgruppe stört die Umwandlung von Licht in chemische Energie im Photosystem I. Zu ihnen gehören Paraquat und Diquat, welche als Kontaktherbizide ausgebracht werden (Wirkstoffaufnahme über die Blätter).

Hemmer der Aminosäuresynthese von Pflanzen

Glyphosat (Handelsname u.a. Roundup) ist ein Beispiel für ein Breitbandherbizid gegen Unkräuter (z.B. Quecken). Glyphosat ist eines der meistverwendeten Herbizide der Welt, der Umsatzanteil betrug im Jahr 2001 etwa 3 Mrd. US$. Dieses Herbizid nimmt eine Pflanze über grüne Pflanzenteile (also nicht über die Wurzel) auf.

Glyphosat verhindert die Biosynthese der aromatischen Aminosäuren L-Phenylalanin, L-Tyrosin und L-Tryptophan durch eine Hemmung des Shikimisäureweges. Da der Shikimisäureweg im tierischen Stoffwechsel nicht vorkommt, wirkt das Herbizid nur gegen Pflanzen. Glyphosat wird wegen seiner nicht-spezifischen Wirkung u.a. als Vorauflaufherbizid eingesetzt.

Glufosinat (Handelsnamen: Basta, Liberty) wirkt auf die Biosynthese von L-Glutamin in Pflanzen. Auch diese Gruppe wird häufig als Breitbandherbizid eingesetzt.

Andere bekannte Breitbandherbizide sind die Sulfonylharnstoffe (Amidosulfuron sowie Sulfometuron-methyl (Handelsnamen: Oust)) und Imidazoline (Imidazolinone) wie beispielsweise Imazapyr (Handelsname: Arsenal). Diese Substanzklassen wirken auf die Biosynthese von verzweigten Aminosäuren wie L-Valin, L-Leucin und L-Isoleucin. Diese Herbizide werden über Wurzeln und Blättern aufgenommen, sie werden bei Ackerflächen für Soja und Getreide häufig angewandt.

Wuchsstoffe

Besonders in früheren Jahrzehnten waren die Wuchsstoffe, chemisch Chlorphenoxyessigsäuren wie 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure, 2,4,5-Trichlorphenoxyessigsäure oder MCPA, eine wichtige Herbizidklasse. Diese regen zum schnellen Wachstum an, aufgrund von Nahrungsmangel sterben die breitblättrigen Unkräuter dann jedoch ab. Das schmalblättrige Getreide hat eine höhere Toleranzschwelle und wird nicht geschädigt.

Selektive Herbizide, Nachauflauf-Herbizide

Eine wichtige Gruppe von Nachauflauf-Herbiziden sind die 1,3-Cyclohexandione. Wichtige Vertreter sind Cycloxydim und Sethoxydim. Diese Herbizide hemmen die Fettsäuresynthese in Pflanzen und werden häufig gegen Gräser angewandt.

Weitere Gruppen sind die Thymin/Uracil-Herbizide (z.B. Bromacil, Einsatz bei Unkräutern in Sojapflanzungen), die Benzothiadiazole (z.B. Bentazon, Handelsname: Basagran), die Phenylpyridazine (z.B. Pyridat) und die Phenoxypropionsäuren (z.B. 4-(2,4-Dichlorphenoxy)buttersäure oder Fenoxaprop-P-ethyl – sehr gute Wirkung gegen Gräser).

Safener

Zur Erhöhung der Selektivität werden Safener zusammen mit den entsprechenden Herbiziden eingesetzt. Sie setzen die schädliche Wirkung für Kulturpflanzen herab. Die phytotoxische Wirkung gegen Unkräuter bleibt hingegen unberührt. Man unterscheidet zwischen Saatgut-, Boden- und Blatt-Safenern. Es handelt sich um eine chemische Alternative zur gentechnischen Saatgutveränderung für die Steigerung von Hektarerträgen bei Herbizidanwendungen. Die Wirkung beruht auf der Induzierung von Enzymreaktionen innerhalb der Pflanze, die eine schnelle Entgiftung ermöglicht. Ein wichtiger Saatgut-Safener ist beispielsweise das Fluxofenim, ein Oximether. In Europa ist eine Bewertung und Zulassung der Substanzen in einer Positivliste durch Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 rechtlich vorgesehen.

Tendenzen in der Herbizidentwicklung

In den 1950er- und 1960er-Jahren wurde einfach durch Synthese von verschiedenen organischen Molekülen ausprobiert, ob eine Substanz schädlich auf ein Unkraut wirkt. Seit den 1980er-Jahren klärt man zunehmend den biochemischen Stoffwechsel von Pflanzen auf. Es werden wichtige Enzyme der Pflanzenbiosynthese isoliert und mit verschiedenen synthetischen Stoffen wird die Hemmung der Enzyme untersucht (Enzym-Assays). Viele moderne Verfahren, z.B. die Gaschromatographie, erlauben die schnelle Identifizierung von wichtigen biochemischen Stoffwechselprodukten.

Eine weitere Tendenz geht in die Richtung, die Wirkstoffmenge zu verringern. Die Forscher möchten auch die Wirkstoffmenge der Herbizide je Hektar gering halten und gleichzeitig die Giftigkeit für Mensch und Tier minimieren.

Während man 1950 noch für die Unkrautbekämpfung etwa 12 kg Natriumchlorat oder 7 kg Atrazin auf einen Hektar Ackerfläche anwenden musste, waren es für 1 Hektar im Jahre 1970 nur noch 1–2 kg Bentazon. Ab 1980 reichte sogar eine Wirkstoffmenge von nur 20 g Chlorsulfuron für einen Hektar Ackerboden aus.

Wirtschaftliche Aspekte

Mit einem Umsatzanteil von 47 % (2001) sind Herbizide die wirtschaftlich wichtigsten Pflanzenschutzmittel. Der Gesamtumsatz für Herbizide betrug auf dem Weltmarkt 12,8 Mrd. US$.

Die größten Wirtschaftssektoren für Herbizide liegen im Schutz der Soja- (ca. 10 % des Weltumsatzes an Pflanzenschutzmitteln, Abkürzung: WUAPSM, ungefähre Daten 1985), Getreide- (10 % des WUAPSM), Weizen- (6 % des WUAPSM), Obst- und Gemüse (3,5 % des WUAPSM), Reis (3,7 % des WUAPSM), Baumwolle (2,2 % des WUAPSM), Zuckerrüben (2,2 % des WUAPSM).

Etwa 90 % der Sojafelder, 71 % der Getreidefelder, 63 % der Weizenfelder, 69 % der Zuckerrübenfelder, 35 % der Reisfelder, 17 % der Obst- und Gemüseplantagen werden weltweit mit Herbiziden behandelt.

Resistenzen

Durch den mehrfachen Einsatz einer einzigen Wirkstoffgruppe über mehrere Jahre hinweg können besonders in Monokulturen resistente Unkräuter selektiert werden. Dieses Phänomen wurde bei fast allen Wirkstoffgruppen beobachtet. Besonders häufig werden dabei Pflanzen mit einer hohen Reproduktionsrate resistent. Ein aktuelles Beispiel stellt der Acker-Fuchsschwanz in Deutschland dar. Das Herbicide Resistance Action Committee (HRAC) beschäftigt sich intensiv damit, wie man die Resistenzbildung eindämmen kann. Die Resistenzentwicklung ist bei Unkräutern jedoch geringer als bei Insekten oder Pilzen. Resistenzen lassen sich jedoch auch gezielt züchten, wodurch auf die Kulturen abgestimmte Herbizide auch nach Auflauf der Kulturen (Nachauflauf) eingesetzt werden können. Allerdings besteht dann das Problem darin, die Nutzkultur (z.B. Winterraps) bei Änderung der Fruchtfolge wieder aus dem Bestand zu eliminieren. Mittlerweile kann davon ausgegangen werden, dass Resistenzbildung eher über kurz als lang wieder zurück zu kombinierten Methoden der Unkrautbekämpfung führt.

Ökologische Auswirkungen

Roundup-Einsatz auf einem Acker nördlich von Dresden

Die Wirkung von synthetischen Pflanzenschutzmitteln wie Herbiziden auf Mensch und Umwelt ist umstritten. Sie reicht vom Argument durch breiten Herbizideinsatz seien gesunde Nahrungsmittel für die breite Bevölkerung erschwinglich und die Krebserkrankungsraten daher rückläufig und unbedeutend im Vergleich zu epidemisch auftretenden Krebserkrankungen durch Tabakrauch und Übergewicht sowie chronischen Lebensmittelinfektionen (hauptsächlich in Entwicklungsländern) bis hin zu kritischen Stimmen wie der von Rachel Carson, die mit ihrem Buch Der stumme Frühling auf die Auswirkungen von Insektizid- und Herbizideinsätzen bei großflächiger Anwendung in den USA aufmerksam machte. In der europäischen Bevölkerung dominiert eher die Angst vor chemischen Lebensmittelrückständen. Die Mehrheit der Befragten schätzt die Gefahr höher ein als die gesundheitlichen Auswirkungen von bakteriellen Verunreinigungen von Lebensmitteln oder unausgewogene Ernährung.

Auswirkungen auf Nahrungsketten und Biodiversität

Bei der großflächigen und dauerhaften Anwendung von Herbiziden kann sich das Pflanzenartenspektrum in der Agrarlandschaft stark verringern. Da von jeder Pflanzenart mehr oder weniger viele Insektenarten abhängig sind und von diesen über die Nahrungsketten wiederum andere Tiere (insbesondere Vögel, Zugvögel), besteht die Gefahr der generellen Artenverarmung in der Feldlandschaft. Der massive Artenrückgang (Verlust der Biodiversität) in den Agrarlandschaften Europas ist vor allem eine Folge dieser Zusammenhänge. Allerdings ist der Anteil des Herbizid- und Insektizideinsatzes in der Landwirtschaft an den Ursachen des Artenrückgangs nicht klar bestimmbar. Es gibt aktuelle Hinweise darauf, dass sich die flächendeckende Anwendung von Breitbandherbiziden in einigen Regionen Deutschlands (z.B. in Sachsen) in den letzten Jahren weiter ausgebreitet hat. Die verstärkte Anwendung erfolgt insbesondere im Zuge des Mulchsaatverfahrens. Dabei wird auf eine mechanische Unkrautbekämpfung verzichtet (sogenannte pfluglose Bodenbearbeitung) und stattdessen intensiv Breitbandherbizide (z.B. Glyphosat / Roundup) verwendet. Der Verzicht auf das Pflügen des Bodens ist eine Abkehr von der Schwarzbrache, welche ein wichtiger Lebensraum für traditionellen Bewohner der Kulturlandschaft wie Feldlerche und Rebhuhn war. Ähnliches erfolgt bei der Umwandlung von blüten- und artenreichen Mähwiesen in ertragreiches, aber artenarmes Intensivgrünland (Abtöten des vorherigen Pflanzenbestandes – umbruchlose Neuaussaat schnell wachsender, eiweißreicher Gräser). Zwar handelt es sich dabei um bodenschonende Verfahren, welche in erosionsgefährdeten Hanglagen durchaus sinnvoll sind, allerdings sind die Folgen bei nahezu flächendeckender Anwendung in der Landwirtschaft auf die Biodiversität noch nicht absehbar.

Abdrift – Mittelverfrachtung auch auf weit entfernte Flächen

Der breite Herbizideinsatz führt auch zu einer Nachweisbarkeit der Wirkstoffe im Oberflächen- und Grundwasser. Eine andere Gefahr rührt von Wirkstoffen mit besonders hohem Dampfdruck her, da sie sich über die Gasphase verbreiten können. Ein Beispiel ist Clomazon, welches nach Richtlinien aus dem Jahr 2012 nur bei Aussentemperaturen unter 25 °C ausgebracht werden darf. Das Mittel war zunächst verboten worden, nachdem Anwohner von gesundheitlichen Beschwerden und Verfärbungen der Blätter auf angrenzenden Flächen berichteten.

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Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de
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Datum der letzten Änderung:  Jena, den: 18.10. 2024