Klassifizierender Raum
In der Mathematik werden mit Hilfe des klassifizierenden Raumes und des universellen Bündels einer topologischen Gruppe G die Prinzipalbündel mit G als Strukturgruppe klassifiziert. Der klassifizierende Raum und das universelle Bündel sind durch eine universelle Eigenschaft charakterisiert, eine explizite Konstruktion geht auf John Milnor zurück. Bündel und ihre Klassifikation spielen eine wichtige Rolle in Mathematik und Theoretischer Physik.
Universelles Bündel
Ein -Prinzipalbündel
heißt universelles Bündel, wenn man alle (numerierbaren)
-Prinzipalbündel
durch Zurückziehen
des universellen Bündels gewinnen kann; formal: wenn es die folgende universelle
Eigenschaft für numerierbare G-Prinzipalbündel
hat:
- Für jedes numerierbare
-Prinzipalbündel
gibt es eine stetige Abbildung
so dass die Bündel
und
isomorph sind.
- Für zwei Abbildungen
sind die Bündel
genau dann isomorph, wenn
homotop sind.
Man hat also eine Bijektion
,
wobei
die Homotopieklassen
von Abbildungen
bezeichnet.
Die Basis eines universellen -Bündels
heißt klassifizierender Raum
der topologischen Gruppe
.
Mittels allgemeinen
Unsinns kann man leicht zeigen, dass
(wenn ein universelles Bündel existiert) bis auf Homotopieäquivalenz
eindeutig bestimmt ist. Die folgende, auf Milnor zurückgehende Konstruktion
beweist auch die Existenz des klassifizierenden Raumes.
Milnor-Konstruktion
Der unendliche Verbund
abzählbar vieler Kopien der topologischen Gruppe
wird als Milnor-Raum bezeichnet. Die Elemente sind von der Form
mit
und nur endlich viele
.
(Man beachte
auch für
.)
Die Gruppe
wirkt auf dem Milnor-Raum
durch
.
Der Quotient
ist der klassifizierende Raum der Gruppe
,
das Prinzipalbündel
ist das universelle Bündel.
Für verschiedene Lie-Gruppen, zum Beispiel
und
gibt es einfachere Realisierungen des klassifizierenden Raumes durch
Graßmann-Mannigfaltigkeiten, siehe unten.
Allgemein gibt jede freie
Wirkung von
auf einem zusammenziehbaren
Raum
einen Quotienten
,
der ein klassifizierender Raum
(und damit insbesondere zu obiger Konstruktion homotopieäquivalent) ist. Die
Quotientenabbildung
ist dann ein universelles
-Prinzipalbündel.
Topologie des klassifizierenden Raumes
ist zusammenziehbar.
Für die Homotopiegruppen
von
gilt
.
Insbesondere gilt für mit der diskreten
Topologie versehene Gruppen :
für
.
Der klassifizierende Raum einer diskreten Gruppe ist also ein Eilenberg-MacLane-Raum.
Wenn
eine Homotopieäquivalenz
ist, dann ist auch
eine Homotopieäquivalenz. Insbesondere ist
homotopieäquivalent zu
.
Beispiele klassifizierender Räume
Die folgende Liste gibt Beispiele klassifizierender Räume
mit zugehörigem Totalraum (des universellen Bündels)
.
Man beachte, dass für topologische Gruppen i.a.
nicht mit
(dem klassifizierenden Raum für dieselbe Gruppe mit der diskreten Topologie)
übereinstimmt.
mit Totalraum
(Insbesondere
)
mit Totalraum
mit Totalraum
mit Totalraum
(unendlicher Baum vom Grad 4)
mit Totalraum
mit Totalraum
mit Totalraum
(hyperbolische Ebene)
Vektorbündel
Zu einem reellen Vektorbündel vom Rang
hat man das Rahmenbündel
als
-Bündel
über derselben Basis. Insbesondere ist
,
und wegen der Homotopieäquivalenz
auch
,
ein klassifizierender Raum für reelle Vektorbündel vom Rang
.
Entsprechend ist
ein klassifizierender Raum für komplexe Vektorbündel vom Rang
.
Die Graßmann-Mannigfaltigkeiten
für
bzw.
sind explizite Realisierungen der klassifizierenden Räume
bzw.
.
Analog können orientierte Vektorbündel vom Rang
durch das universelle Bündel über
,
der Graßmann-Mannigfaltigkeit der orientierten Untervektorräume klassifiziert
werden.
Charakteristische Klassen
Kohomologieklassen eines klassifizierenden Raumes dienen zur Definition charakteristischer Klassen.
Zum Beispiel erhält man charakteristische
Klassen orientierter Vektorbündel vom Rang
aus der Kohomologie von
.
Für einen Körper F mit
gilt
,
wobei
die Euler-Klasse und
die Pontrjagin-Klassen
bezeichnet. Für
ist
,
wobei
die Stiefel-Whitney-Klassen
bezeichnet.
Literatur
- John Milnor: Construction of universal bundles. Teil I In: Ann.
of Math. (2) 63 (1956), S. 272–284.
pdf; Teil II In: Ann. of Math. (2) 63 (1956), S. 430–436.
pdf
- Dale Husemoller: Fibre bundles. McGraw-Hill Book Co., New York/
London/ Sydney 1966,
OCLC
909937420.
- Tammo tom Dieck: Topologie. (= de Gruyter Lehrbuch). Walter de Gruyter, Berlin 1991, ISBN 3-11-012463-7.
Anmerkungen
- ↑
Eine offene
Überdeckung
eines topologischen Raumes heißt numerierbar, wenn es eine lokal endliche Zerlegung der Eins
mit
gibt. Ein Prinzipalbündel heißt numerierbar, wenn es eine numerable Überdeckung gibt, so dass die Einschränkungen des Bündels auf die
trivialisierbar sind. Vgl. Husemoller, op.cit., Section I.4.9.
![Trenner](/button/corpdivider.gif)
![Extern](/button/extern.png)
![Seitenende](/button/stonrul.gif)
© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 03.04. 2023