Stark stetige Halbgruppe
Eine stark stetige Halbgruppe (genauer stark stetige
Operatorhalbgruppe, gelegentlich auch als -Halbgruppe
bezeichnet) ist ein Objekt aus dem mathematischen Teilgebiet der Funktionalanalysis.
Spezialfälle der stark stetigen Halbgruppe sind die normstetige
Halbgruppe und die analytische
Halbgruppe.
Definition
Eine Familie
von stetigen
linearen
Abbildungen
eines reellen oder komplexen Banachraums
in sich, welche die drei Eigenschaften
,
für alle
sowie
für alle
erfüllt, heißt stark stetige Halbgruppe. Ersetzt man 3. durch die stärkere Forderung
so heißt die Familie
normstetige Halbgruppe.
Kann man die Halbgruppe holomorph auf einen Sektor
fortsetzen, so heißt sie analytisch
oder holomorph.
Diese Halbgruppen spielen eine große Rolle in der (abstrakten) Theorie der Evolutionsgleichungen.
Beispiel
Sei
ein stetiger linearer Operator, dann definiere
Die Reihe
konvergiert
absolut in
und definiert daher eine Familie stetiger linearer Operatoren. Diese Familie ist
eine normstetige Halbgruppe und damit insbesondere auch eine stark stetige
Halbgruppe.
Klassifikation stark stetiger Halbgruppen
Zu jeder stark stetigen Halbgruppe existieren ein
und ein
,
so dass für alle
die Abschätzung
gilt. Hierbei bezeichnet
die Operatornorm auf dem Banachraum der stetigen linearen Endomorphismen von
.
Man bezeichnet die Halbgruppe
- als Kontraktionshalbgruppe, falls dies für
und
erfüllt ist,
- als beschränkte Halbgruppe, falls obige Ungleichung für ein
und
gilt,
- als quasi-kontraktive Halbgruppe, falls obige Ungleichung für
und ein
erfüllt ist.
Das Infimum
über alle möglichen
,
also
,
heißt Wachstumsschranke.
Betrachtet man
statt
,
spricht man von stark
stetigen Gruppen.
Stark stetige Halbgruppen lassen sich unter gewissen Umständen von
auf Sektoren in der komplexen Ebene fortsetzen. Solche Halbgruppen werden analytisch
genannt.
Infinitesimaler Erzeuger
Sei
eine stark stetige Halbgruppe.
Als infinitesimaler Generator oder
infinitesimaler Erzeuger von
bezeichnet man die Abbildung
mit dem Definitionsbereich
ist ein dicht definierter, abgeschlossener,
linearer Operator.
ist genau dann beschränkt, wenn
sogar in der Operatornorm
gegen die Identität konvergiert.
Das abstrakte Cauchy-Problem
für den Anfangswert
und eine stetig differenzierbare Funktion
wird durch die Funktion
gelöst.
Für das Spektrum
des Erzeugers gilt: Ist ,
dann gilt
,
wobei
die Wachstumsschranke der Halbgruppe ist.
Die Resolvente von
stimmt rechts von der Wachstumsschranke mit der Laplace-Transformation
der Halbgruppe überein, es gilt also
für
und alle
.
Satz von Hille-Yosida
Von besonderem Interesse ist, ob ein gegebener Operator
der infinitesimale Erzeuger einer stark stetigen Halbgruppe ist. Diese Frage
wird durch den Satz von Hille-Yosida
vollständig beantwortet:
Ein linearer Operator
ist genau dann der infinitesimale Erzeuger einer stark stetigen Halbgruppe
,
welche die Abschätzung
erfüllt, falls
abgeschlossen und dicht definiert ist,
Teilmenge der Resolventenmenge
von
ist und
für alle
und
.
Anwendung
Ein Anwendungsfall ist, dass man die Evolutionsgleichung
mit gegebenem Differentialoperator
lösen möchte. Der Satz von Hille-Yosida besagt, dass man hierfür die
Resolventengleichung untersuchen muss, die dann auf elliptische Probleme führt.
Kann man das elliptische Problem lösen, fällt es leicht das Evolutionsproblem
zu lösen.
Herleitung
Die Theorie der stark stetigen Halbgruppen entwickelte sich aus der
Betrachtung des Cauchy-Problems. Die einfachste Form des Cauchy-Problems ist die
Fragestellung, ob für ein gegebenes
und einen Anfangswert
eine differenzierbare Funktion
existiert, die
erfüllt. Aus der Theorie der gewöhnlichen
Differentialgleichungen erhält man, dass
eindeutig gegeben ist durch
.
Dies kann nun verallgemeinert werden, indem man das Problem in höheren
Dimensionen betrachtet, also als Anfangswert
und
als eine
-Matrix
wählt. Auch hier ist
die Lösung von
.
Hierbei wird die Matrixexponentialfunktion
wie im Reellen durch
definiert. Das Cauchy-Problem kann auch auf einem Banachraum
gestellt werden, in dem
und
als ein Operator auf
gewählt wird. Ist
ein beschränkter Operator, so ist
mit
wiederum die Lösung des Cauchy-Problems. In der Anwendung vorkommende Operatoren
wie der Laplace-Operator
werfen die Frage nach einer Verallgemeinerung auf unstetige Operatoren auf, da
in diesem Fall die Summe
im Allgemeinen nicht konvergiert. Damit ergibt sich das Problem, wie man die
Exponentialfunktion im Falle eines unbeschränkten Operators definieren soll.
Unabhängig voneinander konnten Einar Hille und Kōsaku Yosida um das Jahr 1948
eine Lösung präsentieren:
Ansatz von Hille: Ausgehend von der im Reellen geltenden Identität
erhält man
.
Diese Darstellung hat den Vorteil, dass die Resolvente beschränkt ist und damit
auf der rechten Seite nur beschränkte Operatoren auftauchen. Hille konnte
zeigen, dass unter gewissen Umständen der Grenzwert dieser Folge existiert.
Betrachtet man eine stark stetige Halbgruppe
,
wie sie in der Einleitung definiert ist, mit ihrem Erzeuger
,
erfüllt sie die Gleichung
.
Yosida-Approximation: Yosidas Idee war es, den (unbeschränkten)
Operator
durch eine Folge beschränkter Operatoren zu definieren. Dazu setzte er
und zeigte, dass
in
punktweise gegen
konvergiert. Weiterhin erzeugen
als beschränkte Operatoren stark stetige Halbgruppen
mit
,
die für jedes
punktweise in
gegen einen Operator
konvergieren. Die Familie
von Operatoren ist in der Tat eine stark stetige Halbgruppe, und jede stark
stetige Halbgruppe kann durch die Yosida-Approximation angenähert werden.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 07.01. 2021