Kugelflächenfunktionen
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Die Kugelflächenfunktionen sind ein vollständiger und orthonormaler Satz von Eigenfunktionen des Winkelanteils des Laplace-Operators. Dieser Winkelanteil zeigt sich, wenn der Laplace-Operator in Kugelkoordinaten geschrieben wird. Die Eigenwertgleichung lautet:
Die Eigenfunktionen sind die Kugelflächenfunktionen ,
dabei sind
Normierungsfaktoren und
die zugeordneten
Legendrepolynome (Details siehe unten):
Besonders in der theoretischen Physik haben die Kugelflächenfunktionen eine große Bedeutung für die Lösung partieller Differentialgleichungen. Sie treten zum Beispiel bei der Berechnung von Atomorbitalen auf, da die beschreibende zeitunabhängige Schrödingergleichung den Laplace-Operator enthält und sich das Problem am besten in Kugelkoordinaten lösen lässt. Auch die in der Elektrostatik auftretenden Randwertprobleme können elegant durch die Entwicklung nach Kugelflächenfunktionen gelöst werden. In der Geophysik und Geodäsie werden die Kugelflächenfunktionen bei der Approximation des Geoids und des Magnetfeldes verwendet.
Zusammenhang mit dem Laplace-Operator
Der Winkelanteil des Laplace-Operators zeigt sich, wenn dieser in Kugelkoordinaten geschrieben wird:
Der rechte, eingeklammerte Teil wird hier als Winkelanteil
bezeichnet. Er ist direkt proportional
zum Quadrat des Drehimpulsoperators
.
Die Laplacesche Differentialgleichung in Kugelkoordinaten
hat neben der trivialen Lösung, ,
verschiedenste Lösungen mit vielen technischen Anwendungen.
Zur Lösung wird folgender Produktansatz verwendet, wobei
nur vom Radius und
nur von Polar- und Azimutwinkel abhängt:
Dies ergibt eingesetzt:
Multiplikation von
und Division durch
liefert:
Diese Gleichung kann nur erfüllt werden, wenn in beiden Summanden unabhängig
voneinander Radius und Winkel variierbar sind. Beide Summanden müssen somit
denselben konstanten Wert annehmen, der zu
gewählt wird (diese Festlegung erweist sich später als sinnvoll):
Durch dieses Verfahren, welches Separationsansatz genannt wird, wurde also das ursprüngliche Problem, nämlich die Lösung der Laplace-Gleichung (partielle Differentialgleichung mit drei unabhängigen Variablen), auf das einfachere Problem der Lösung einer gewöhnlichen Differentialgleichung (Radialgleichung)
und einer partiellen Differentialgleichung mit zwei unabhängigen Variablen (winkelabhängige Gleichung), die gerade von den Kugelflächenfunktionen erfüllt wird, reduziert.
Nun lässt sich aufgrund der Orthogonalität und Vollständigkeit der Kugelflächenfunktionen zeigen, dass sich jede quadratintegrable Funktion aus diesen speziellen Funktionen als Summe zusammensetzen lässt:
Aufgrund der Linearität des Laplace-Operators lassen sich also durch Addition der Lösungen der Radialgleichung, multipliziert mit den Kugelflächenfunktionen, beliebig viele Lösungen der Laplace-Gleichung konstruieren. Damit ergibt sich automatisch eine Darstellung des Lösungsraumes der Laplace-Gleichung.
Die Kugelfunktionen wurden besonders von Legendre (Kugelfunktionen erster Art), Laplace (Kugelfunktionen zweiter Art) und Carl Gottfried Neumann (Kugelfunktionen mit mehreren Veränderlichen) behandelt.
Lösung der Eigenwertgleichung
Die Eigenwertgleichung
wird mit folgendem Produktansatz separiert:
Umsortieren liefert:
Um beide Seiten getrennt voneinander variieren zu können, müssen beide Seiten
den gleichen konstanten Wert annehmen. Diese Separationskonstante wird als
gewählt. Es ergeben sich zwei gewöhnliche Differentialgleichungen, die
Polargleichung
und die Azimutalgleichung.
Die Azimutalgleichung wird durch
gelöst, wobei die
wegen der Zusatzbedingung der Eindeutigkeit auf der Kugeloberfläche
eingeschränkt sind auf ganze Zahlen
.
Mit
erhält man die normierte Lösung der Azimutalgleichung:
Die Polargleichung kann mit einem Potenzreihenansatz gelöst werden. Die Lösungen sind nur dann endlich, eindeutig und stetig, wenn
.
Dann sind die Lösungen die zugeordneten
Legendrepolynome
und mit
erhält man die normierte Lösung der Polargleichung:
Die Gesamtlösung des Winkelanteils ist das Produkt aus den beiden erhaltenen Lösungen, nämlich die Kugelflächenfunktionen.
Darstellung
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Die Darstellung der Kugelflächenfunktionen
ergibt sich als Lösung der oben genannten Eigenwertgleichung. Die konkrete
Rechnung liefert:
Dabei sind
die zugeordneten Legendrepolynome und
sind Normierungsfaktoren. Mitunter ist die Berechnung über:
mit
vorteilhafter (),
da
-faches
Ableiten entfällt.
Eine andere Definition geht über homogene, harmonische Polynome. Diese
sind durch ihren Wert auf der Sphäre eindeutig bestimmt. Jedes homogene
harmonische Polynom vom Grad n lässt sich als Linearkombination von
Kugelflächenfunktionen multipliziert mit
schreiben und umgekehrt. Wählt man beispielsweise die Funktion, die konstant 1
ist, als Basis des eindimensionalen Vektorraumes
der 0-homogenen harmonischen Polynome und x, y und z als Basis des
dreidimensionalen Vektorraumes der 1-homogenen, so erhält man in Kugelkoordinaten nach
Division von
die Funktionen
,
,
.
Für die homogenen Polynome vom Grad 2 erkennt man in der Liste unten schnell
auch die Terme
wieder, nur mit einem falschen Vorfaktor.
Eigenschaften
![](bilder/220px-Spherical_harmonics_positive_negative.svg.png)
Die Kugelflächenfunktionen haben folgende Eigenschaften:
- Orthonormalitätsrelation: (
ist das Kronecker-Delta)
- Vollständigkeit: (
ist die Delta-Distribution)
- Parität: Der Übergang
sieht in Kugelkoordinaten folgendermaßen aus:
. Unter dieser Transformation verhalten sich die Kugelflächenfunktionen wie folgt:
- Komplexe Konjugation: Die jeweiligen
erhält man aus den
durch:
Entwicklung nach Kugelflächenfunktionen
Die Kugelflächenfunktionen bilden ein vollständiges Funktionensystem. Daher
können alle quadratintegrablen Funktionen
(mit
und
im Sinne der Kugelkoordinaten) nach den Kugelflächenfunktionen entwickelt
werden:
Die Entwicklungskoeffizienten
berechnen sich zu:
Dabei ist
das komplex-konjugierte zu
.
Die Darstellung einer Funktion
mit
-
und
-Funktion
als Fourierreihe ist ein
Analogon zur Entwicklung einer zweidimensionalen Funktion
mit
auf einer Kugeloberfläche.
Additionstheorem
Ein Resultat für die Kugelflächenfunktionen ist das Additionstheorem. Hierfür
seien zwei Einheitsvektoren
und
durch Kugelkoordinaten
bzw.
dargestellt. Für den Winkel
zwischen diesen beiden Vektoren gilt dann
Das Additionstheorem für Kugelflächenfunktionen besagt nun
Das Theorem kann auch anstelle der Kugelflächenfunktionen
mit den zugeordneten
Legendrefunktionen
geschrieben werden
Für
erhält man aus dem Additionstheorem
Dies kann als eine Verallgemeinerung der Identität
auf drei Dimensionen angesehen werden und ist als Unsöld-Theorem (nach Albrecht Unsöld)
bekannt.
Die ersten Kugelflächenfunktionen
Ylm | l = 0 | l = 1 | l = 2 | l = 3 |
---|---|---|---|---|
m = −3 | ||||
m = −2 | ||||
m = −1 | ||||
m = 0 | ||||
m = 1 | ||||
m = 2 | ||||
m = 3 |
Anwendungen
Quantenmechanik
Als Eigenfunktionen des Winkelanteils des Laplaceoperators sind die
Kugelflächenfunktionen zugleich Eigenfunktionen des Drehimpulsoperators
zur Nebenquantenzahl
als Eigenwert. Daher spielen sie eine große Rolle bei der Beschreibung von
Atomzuständen. Ferner ist
Lösung der Laplace-Gleichung
Für jedes
ist die Funktion
Lösung der Laplace-Gleichung
in drei Dimensionen, denn die Funktion
erfüllt gerade obige Gleichung
.
Jede Lösung der Laplace-Gleichung lässt sich nun eindeutig als
darstellen. Somit lässt sich mit den Kugelflächenfunktionen die
Laplace-Gleichung mit sphärischen Dirichlet-Randbedingungen
lösen: Legen die Randbedingungen den Wert der Lösung ,
die auf der abgeschlossenen Einheitskugel definiert sein soll, auf eine
bestimmte quadratintegrable Funktion
auf der Einheitssphäre fest, so lässt sich
nach Kugelflächenfunktionen entwickeln, wodurch sich die Koeffizienten
und damit auf eindeutige Weise ganz
ergeben. Auf Grundlage dieser Erkenntnis der Lösbarkeit mit sphärischen
Randbedingungen lässt sich die allgemeine Lösbarkeit des Dirichlet-Problems der
Laplace-Gleichung für hinreichend glatte Randbedingungen zeigen, dieser Beweis
geht auf Oskar
Perron zurück.
Das Dirichlet-Problem findet Anwendung in der Elektrostatik
und Magnetostatik. Zum Lösen
der Laplace-Gleichung, bei der eine Funktion gesucht ist, die außerhalb einer
Kugel definiert ist und im Unendlichen
verschwindet, zu gegebenen Randbedingungen, ist der Ansatz einer Zerlegung
möglich, der ebenfalls stets eine Lösung der Laplace-Gleichung zu den gegebenen Randbedingungen liefert.
Nomenklatur in der Geophysik
Kugelflächenfunktionen werden auch in der Geophysik verwendet. Man unterscheidet hier zwischen:
- zonal (
): unabhängig von Längengrad
- sektoriell (
):
- tesseral (sonst): längen- und breitengradabhängig
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 06.02. 2022