Hintergrundstrahlung
Die Hintergrundstrahlung, genauer kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung, englisch cosmic microwave background (CMB), ist eine das ganze Universum erfüllende isotrope Strahlung im Mikrowellenbereich, die kurz nach dem Urknall entstanden ist. Sie hat eine herausragende Bedeutung für die physikalische Kosmologie und wird auch Drei-Kelvin-Strahlung (wegen der niedrigen Temperatur bzw. Energiedichte) genannt.
Die kosmische Hintergrundstrahlung ist nicht zu verwechseln mit der kosmischen Strahlung.
Theorie
Die kosmische Mikrowellenstrahlung stammt aus der Zeit etwa 380.000 Jahre nach dem Urknall und gilt als Beleg für die Urknalltheorie (Standardmodell). Vor diesem Zeitpunkt standen Strahlung und Materie im thermischen Gleichgewicht.
Infolge der Expansion des Universums sanken mit der Zeit die Temperatur und die Dichte des gekoppelten Strahlung-Materie-Gemisches, bis schließlich bei einer Temperatur von etwa 3000 Kelvin Protonen und Elektronen elektrisch neutralen Wasserstoff bilden konnten. Dies wird in der Physik als Rekombination bezeichnet. Das Fehlen freier Elektronen und Protonen führte dazu, dass die Strahlung nicht mehr durch Thomson-Streuung von Photonen mit der Materie wechselwirken konnte – das Universum wurde „durchsichtig“.
Die weitergehende Expansion des Universums verursachte durch die Dehnung der Raumzeit auch eine Dehnung der Wellenlänge der vorhandenen Photonen, also eine Rotverschiebung. Wir beobachten daher diese Photonen heute als kosmische Hintergrundstrahlung im Mikrowellenbereich. Sie ist in jeder Richtung des Himmels auf normalen Skalen in etwa gleichförmig und nicht durch Überlagerung einzelner Quellen wie Galaxien entstanden.
Die Strahlung hat als Folge des thermischen Gleichgewichts vor der Rekombination das fast perfekte Intensitätsspektrum eines schwarzen Körpers (auch Schwarzkörperstrahlung genannt) mit einer Temperatur von heute 2,725 (± 0,002) Kelvin.
Einer kosmologischen Modellrechnung zufolge beträgt die Rotverschiebung der Hintergrundstrahlung z = 1089 ± 0,1, und jeder Kubikzentimeter des Vakuums des Weltraums enthält durchschnittlich 400 Photonen der Hintergrundstrahlung.
Geschichte
Eine Strahlung aus dem intergalaktischen Raum mit 2,8 K wurde bereits 1933 von Erich Regener vorhergesagt.
Als Folge eines Urknalls wurde sie erst in den 1940ern von George Gamow, Ralph Alpher und Robert Herman mit höheren Werten postuliert. Die Entdeckung erfolgte aber zufällig 1964 durch Arno Penzias und Robert Woodrow Wilson beim Test einer neuen empfindlichen Antenne, die für Experimente mit künstlichen Erdsatelliten gebaut worden war. In derselben Ausgabe des Astrophysical Journal, in der Penzias und Wilson ihre Ergebnisse veröffentlichten, interpretierten Robert Henry Dicke u.a. die Entdeckung bereits als kosmische Schwarzkörperstrahlung, in einer Arbeit, in der sie ihrerseits die Vorbereitung eines ähnlichen Experiments (bei anderen Wellenlängen) bekanntgaben, bei dem ihnen Penzias und Wilson zuvorgekommen waren. Penzias und Wilson erhielten für diese Entdeckung 1978 den Physiknobelpreis.
Hinweise auf die Hintergrundstrahlung fand schon Andrew McKellar 1940/1941 am Mount-Wilson-Observatorium, indem er die Temperatur des Rotationsspektrums von CN-Molekülen im interstellaren Medium bestimmte. Seine Entdeckung fand sogar ihren Weg in das bekannte Lehrbuch Spectra of diatomic molecules (1950) von Gerhard Herzberg, die Tragweite der Entdeckung erkannten aber beide nicht.
Auch in der UdSSR wurde von A. Doroshkevich und Igor Dmitrijewitsch Nowikow 1964 ein Vorschlag zur Beobachtung der Reliktstrahlung gemacht.
Messungen
Bei den Experimenten von Penzias und Wilson wurde nur auf einer Frequenz gemessen, weshalb in den folgenden Jahren weitere Messungen auf anderen Frequenzen durchgeführt wurden. Dadurch konnte bestätigt werden, dass es sich bei der Strahlung tatsächlich um Schwarzkörperstrahlung handelt. Diese Art der Strahlung hat den typisch glockenförmigen Intensitätsverlauf, der im Bild dargestellt ist. Da die erdgebundenen Beobachtungsmöglichkeiten im Mikrowellenbereich aufgrund der atmosphärischen Absorption eingeschränkt sind, wurde die Satellitenmission COBE ins Leben gerufen.
- Mit hochempfindlichen Mikrowellenempfängern wurde die Rauschspannung auf möglichst vielen Frequenzen aus möglichst vielen Richtungen gemessen.
- Wegen des breiten Frequenzbandes mussten unterschiedliche Antennen und Empfänger eingesetzt werden. Also waren Normierungen und Umrechnungen auf absolute Empfangsleistung erforderlich.
- Ziel war, nur Daten zur schwachen Hintergrundstrahlung zu erhalten. Deshalb musste das Strahlungsverhalten aller bekannten und teilweise sehr intensiven Vordergrundquellen wie Krebsnebel oder andere Supernovaüberreste für alle Frequenzen modelliert und subtrahiert werden.
- Die verbleibenden Messwerte zeigen ein auffallendes Dipolmuster: Das Maximum der Strahlung aus einer ganz bestimmten Richtung (ungefähr entgegengesetzt der momentanen Rotationsrichtung des Sonnensystems in der Milchstraße) ist deutlich blauverschoben, in entgegengesetzter Richtung rotverschoben (Dopplereffekt). Das wird damit erklärt, dass sich unser Sonnensystem mit etwa 369 km/s gegenüber einem Bezugssystem bewegt, in dem die Strahlung isotrop ist.
- Dieses Dipolmuster wird subtrahiert und die mehrfach modifizierten Messwerte wurden als Funktion der Wellenlänge aufgetragen (siehe rechtes Bild).
- Mit der Formel des Planckschen Strahlungsgesetzes wurden Modellkurven für unterschiedliche Temperaturen berechnet und in das gleiche Diagramm eingezeichnet.
- Die Modellkurve für 2,725 K ist diejenige, die (im Sinne der kleinsten Fehlerquadrate) am besten zu den Messpunkten passt.
Anisotropien im Mikrowellenhintergrund
Die Temperatur des Mikrowellenhintergrundes ist über den gesamten Himmel sehr gleichförmig (isotrop). Die stärkste Abhängigkeit von der Beobachtungsrichtung beträgt nur etwa 0,1 % und entsteht aufgrund der Bewegung der Milchstraße (und damit der Erde) relativ zum Mikrowellenhintergrund. Photonen, die aus der Bewegungsrichtung kommen, sind durch den Dopplereffekt blauverschoben und die Temperatur der Hintergrundstrahlung ist in dieser Richtung erhöht. Photonen aus der Gegenrichtung sind entsprechend rotverschoben, die Hintergrundstrahlung erscheint kühler. Es ergibt sich somit eine Dipolanisotropie der Temperaturverteilung. Mit diesem in der Astronomie üblichen Verfahren ist es auch möglich, die Eigenbewegung im Raum gegenüber der Hintergrundstrahlung zu bestimmen.
Die Temperaturschwankungen auf kleineren Winkelskalen können in primäre und sekundäre Anisotropien unterteilt werden. Unter primären Anisotropien versteht man Anisotropien durch Effekte, die zum Zeitpunkt der Entstehung der Strahlung wirkten, während man unter sekundären Anisotropien erst später auf dem Weg der Photonen durch das Weltall entstandene Effekte versteht.
Zu den wichtigsten Effekten der primären Anisotropien gehören:
- Der Sachs-Wolfe-Effekt: Strahlung, die aus überdichten Regionen entweicht, erfährt eine Gravitationsrotverschiebung, sodass die Hintergrundstrahlung in der entsprechenden Richtung eine geringfügig niedrigere Temperatur hat, andererseits wird dieser Effekt dadurch teilweise kompensiert, dass die Gravitation zu einer Zeitdilatation führt. Daher stammen die Photonen der dichteren Regionen aus einer geringfügig früheren Zeit, zu der das Universum noch heißer war. Beide Effekte werden gemeinsam durch den Sachs-Wolfe-Effekt beschrieben.
- Die Dichteschwankungen im frühen Universum führen zu sogenannten Pekuliargeschwindigkeiten. Das sind Geschwindigkeiten der Materie, die zusätzlich zur Geschwindigkeit der Expansion des Raumes auftreten. Die Elektronen, mit denen die Photonen das letzte Mal streuen, haben also eine von der Dichte abhängige zusätzliche Geschwindigkeitskomponente.
- Wird in einem kleinen Gebiet die Baryonendichte erhöht, werden die Baryonen adiabatisch komprimiert und dadurch heißer. Da die Baryonen mit den Photonen im thermischen Gleichgewicht stehen, werden somit auch die Photonen energiereicher.
Zu den sekundären Anisotropien gehören insbesondere:
- Es gibt freie Elektronen im Universum, an denen die Photonen streuen können. Da die Thomson-Streuung weitgehend isotrop ist, ist die Richtung des Photons nach der Streuung weitgehend unabhängig von seiner Richtung vor der Streuung. Die gestreuten Photonen tragen keine Information über die Fluktuationen des CMB mehr. Dadurch werden die Anisotropien teilweise ausgewaschen.
- Beim Durchlaufen des Universums durchqueren die Photonen eine Reihe von Potentialtöpfen der Strukturen des Universums (zum Beispiel durch Galaxien, Galaxienhaufen etc.). Dabei erhalten sie immer einmal eine gravitative Blauverschiebung und dann wieder eine Rotverschiebung. Da sich das Gesamtgravitationspotential des Universums im Laufe der Zeit ändert, heben sich die Effekte nicht vollständig auf. Man bezeichnet dies als Integrierten Sachs-Wolfe-Effekt.
- Außerdem werden die Photonen beim Durchlaufen der Potentialtöpfe abgelenkt. Der Winkel, unter dem wir die Photonen beobachten, entspricht also nicht genau ihrer Position zum Zeitpunkt der Rekombination – dadurch werden die Anisotropien auf kleinen Winkelskalen verschmiert.
- An den Elektronen des heißen Gases von Galaxienhaufen können Photonen streuen. Durch die Streuung ändert sich die Energie der Photonen ein wenig: Sie haben nach der Compton-Streuung im Mittel eine höhere Frequenz. Dadurch wird die Zahl der hochfrequenten Photonen relativ zum Planckspektrum erhöht, während die Zahl der niederfrequenten Photonen erniedrigt wird. Dies nennt man den Sunjajew-Seldowitsch-Effekt.
Die statistischen Eigenschaften der Dichteverteilung zum Zeitpunkt der Rekombination – und somit die primären Anisotropien – lassen sich im Rahmen der relativistischen Kosmologie als Funktion weniger kosmologischer Parameter genau modellieren. Auch die sekundären Anisotropien lassen sich entweder herausrechnen oder bei der Modellierung berücksichtigen. Daher kann man – in Abhängigkeit von den kosmologischen Parametern – Vorhersagen über die Temperaturverteilung machen, insbesondere über das Winkelleistungsspektrum (siehe Abbildung). Vergleicht man dies mit dem gemessenen Winkelleistungsspektrum, so kann man die kosmologischen Parameter bestimmen.
Die Entdeckung dieser schwachen Temperaturschwankungen (ca. 0,001 %) in kleineren Bereichen durch den Satelliten COBE im Jahr 1993 war ein Durchbruch in der Beobachtung des frühen Universums. Die Messung der Stärke dieser Schwankungen machte deutlich, dass die Materie zum Zeitpunkt der Rekombination außerordentlich homogen verteilt war. Weitere Untersuchungen durch bodengebundene Experimente, Ballonteleskope und besonders die Raumsonden WMAP und Planck haben die Stärke dieser Temperaturschwankungen in Abhängigkeit von ihrer Winkelausdehnung am Himmel noch wesentlich besser charakterisiert. Die gute Übereinstimmung der gemessenen Eigenschaften des Mikrowellenhintergrundes mit den theoretischen Vorhersagen stellt einen der herausragenden Belege für die Gültigkeit der Urknalltheorie dar. Die Messung der Parameter dieser Theorie favorisiert das Lambda-CDM-Modell.
Von August 2009 bis Februar 2012 vermaß die europäische Raumsonde Planck die Strahlung mit noch dreifach höherer Auflösung, bei besserer Ausblendung von Störstrahlung. Die Temperaturschwankungen gehören zu den zurzeit wichtigsten Messgrößen der Kosmologie und der Theorien zur Bildung von Strukturen im frühen Universum.
Neue Fragen
Trotz der generell ausgezeichneten Übereinstimmung der gemessenen Eigenschaften des kosmischen Mikrowellenhintergrunds mit den theoretischen Vorhersagen gibt es einige Aspekte in den Daten, die nicht vollständig verstanden sind und zu anhaltenden Diskussionen führten. So sind einige der niedrigsten Momente in der Winkelverteilung der Temperatur niedriger als vorhergesagt. Die gemessenen Extremwerte der Hintergrundstrahlung verlaufen fast senkrecht zur Ekliptik des Sonnensystems, wobei die Abweichung von der Senkrechten sich im Rahmen der Messungenauigkeiten bewegt. Darüber hinaus gibt es eine deutliche Nord-Süd-Asymmetrie mit einem Maximum im Norden. Dies ist überraschend. Das Standardmodell der Kosmologie kennt keine global ausgezeichnete Raumrichtung. Daher sollte die kosmische Hintergrundstrahlung aus allen Raumrichtungen im Mittel gleich stark ausfallen.
Außerdem gibt es eine CMB Cold Spot genannte Region mit etwa 5° Durchmesser, in der die Temperatur der Hintergrundstrahlung signifikant niedriger ist als der Durchschnitt. Der CMB Cold Spot wird meist als Abbild eines besonders großen, besonders leeren Raumbereichs interpretiert. Es wurde versucht, diesen leeren Raumbereich direkt durch eine dreidimensionale Kartierung der in dieser Richtung zu beobachtenden Galaxien nachzuweisen. Dabei kamen unterschiedliche Forschergruppen zu entgegengesetzten Ergebnissen. Eine Studie von 2016 bestätigt in der fraglichen Himmelsregion eine Void. Eine Studie von 2017 kommt dagegen zu dem Schluss, dass es in der Himmelsregion keine mit dem CMB Cold Spot verträgliche räumliche Struktur in der Verteilung der beobachtbaren Galaxien gibt.
Diese bereits in den Ergebnissen der WMAP-Mission sichtbaren Abweichungen von der erwarteten Verteilung der Hintergrundstrahlung wurden durch Messungen mit dem Planck in höherer Auflösung und Genauigkeit bestätigt.
Verschiedene Kollaborationen suchen in der Feinverteilung der gemessenen Hintergrundstrahlung nach Hinweisen auf die Inflation und Gravitationswellen aus der Frühzeit des Universums. Eine erste Meldung auf der Grundlage von Messungen des BICEP2-Detektors sorgte 2014 für Medienaufmerksamkeit. Ein Jahr später kamen die gleichen Autoren jedoch zu dem Schluss, dass sich die Abweichungen von der Isotropie als Folge von Staub der Milchstraße erklären lassen.
Basierend auf einem Artikel in: Wikipedia.de Seite zurück© biancahoegel.de
Datum der letzten Änderung: Jena, den: 23.04. 2022