Seltene Erden
Mit allen Mitteln aus der Rohstoffklemme
Viele Metalle der "Seltenen Erden" gehören derzeit zu den begehrtesten Rohstoffen überhaupt. Sie sind unverzichtbar für viele Hightech-Produkte. Doch zeitgleich mit dem immer stärker wachsenden Bedarf verschlechtert sich die Versorgung mit diesen Rohstoffen dramatisch.
Smartphones, Computer, Energiesparlampen, Elektromotoren: Sie wären undenkbar ohne den Einsatz von Seltenen Erden. Das sind 17 chemische Elemente, wie zum Beispiel Neodym, Ceroxid und Lanthan. Seltene Erden werden auch "Gewürzmetalle" genannt, weil sie die Fähigkeiten anderer Stoffe versärken und sich so viele Bauteile kleiner und effizienter herstellen lassen - bei gleich bleibender Leistungsfähigkeit. Mischt man beispielsweise Magneten Neodym bei, sind diese 25-mal stärker als herkömmliche Verbindungen.
Nicht selten, aber "schmutzig"
Zumindest theoretisch ist für Nachschub gesorgt: Bei gleich bleibender Produktion hätten wir von einigen Seltenen Erden noch Reserven für mehrere hundert Jahre, sagt Frank Melcher von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Doch obwohl Seltene Erden gerne für "Grünen Technologien" wie Solarzellen und Windkraftanlagen eingesetzt werden, sind sie nicht umweltfreundlich. Über die schmutzige Kehrseite der Produktion vor allem in China erfahren Verbraucher hierzulande in der Regel nichts. Gibt es Auswege aus der Rohstoffklemme?
Seltene Erden
Zwar gibt es weltweit grosse Vorkommen von Seltenen Erden, doch zu 99 Prozent werden sie derzeit in China gefördert. Lange Zeit hat das Land diese Rohstoffe auch westlichen Produzenten uneingeschränkt zur Verfügung gestellt. Damit ist nun Schluss. China ist auf dem Weg Weltmarktführer für Hochtechnologien zu werden und will die Rohstoffe im eigenen Land behalten. Die EU-Staaten, die USA und Japan haben China daraufhin vor der Welthandelsorganisation verklagt.
Abbau
Zwar gibt es auch in Europa und Deutschland Vorkommen von Seltenen Erden, doch Politik und Wirtschaft haben sich bisher nicht für eine nachhaltige Förderung engagiert. Strahlen doch die meisten Vorkommen der wertvollen Metalle leicht radioaktiv. Bei der extrem aufwendigen Gewinnung entstehen zudem hochgiftige Rückstände, wie zum Beispiel Schwefelsäure.
Den Preis für den Abbau Seltener Erden zahlt in China die Bevölkerung: Offizielle Angaben über die Strahlenbelastung der Bergarbeiter gibt es zwar nicht, es ist aber bekannt, dass die Sicherheitsstandards im chinesischen Bergbau extrem niedrig sind. Schätzungen gehen von rund 10.000 Toten pro Jahr aus. Die Bevölkerung in den Abbaugebieten lebt zudem in völlig zerstörten Landschaften, klagt über vergiftete Brunnen und Getreide, das nicht wächst.
Abbau 2
Untersucht wird derzeit, ob auch in Deutschland Seltene Erden abgebaut werden können. Grosse Vorkommen gibt es hierzulande wohl nicht, aber im sächsischen Storkwitz wurde das Erz Bastnäsit gefunden. Die Probebohrungen haben bereits begonnen, Ergebnisse werden für Herbst 2012 erwartet. Es ist allerdings fraglich, ob eine umfangreiche chemische Aufbereitung verbunden mit radioaktiven Abfällen hierzulande politisch durchsetzbar wäre.
Die Förderung aus grosser Tiefe und eine nachhaltige Aufbereitung wären jedenfalls sehr teuer. Da die Weltmarktpreise für einige Seltene Erden in den vergangenen Jahren um bis zu 700 Prozent gestiegen sind - und damit sogar die Goldpreise überbieten -, setzen viele Investoren trotzdem auf den Abbau Seltener Erden in Deutschland.
Recycling
Statt selbst Seltene Erden abzubauen, könnten man in Deutschland auch auf Recycling setzen. Das wird bisher nicht getan, sagt Professor Jens Gutzmer von der Technischen Universität Bergakademie Freiberg. Dabei wären gerade Ballungsräume wahre Goldgruben für Seltene Erden. In Großstädten gibt es Rohstoffe in rauen Mengen, die genutzt werden könnten. "Urban Mining" oder Stadtbergbau nennen Experten das und denken dabei an Hightech-Werkstoffe in Kleincomputern und Trend-Fahrrädern. Doch beim Herauslösen der Seltenen Erden stände man vor den gleichen Problemen wie bei der Gewinnung: Der Bearbeitungsprozess ist extrem aufwendig und verursacht giftigen Abfall.
Alternativen
Welchen Weg gibt es aus diesem Dilemma und wie könnte Deutschland eine Abhängigkeit von China vermeiden? Experten sehen verschiedene Lösungsmöglichkeiten:
- Kompetenznetzwerk: Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen könnten ausserhalb Chinas nach neuen Quellen für Seltene Erden suchen. Was bleibt wäre das Problem der Umweltverschmutzung.
- International gültige Standards für Seltene Erden
- Herkunftsnachweise für "Konfliktmineralien", wie zum Beispiel bei Coltan, einem Mineral, das in der Handy-Produktion eingesetzt wird. Fast ein Drittel der kongolesischen Bevölkerung verdient sein Geld damit. Da mit den Erträgen jedoch Bürgerkriege finanziert wurden und viele Arbeiter in den primitiven Minen starben, wurde ein Herkunftsnachweis eingeführt. Mit Proben können Wissenschaftler eindeutig belegen, woher ein Mineral kommt.
- Wirtschaftspartner wechseln: Wenig nachhaltig ist das Konzept, das Problem einfach in ein anderes Land zu exportieren - mit Partnern wie dem kasachischen Präsidenten beispielsweise: Nursultan Nasarbajew ist in die Kritik geraten, weil gegen ihn in mehreren Ländern wegen Korruption und Geldwäsche ermittelt wird und er Streiks von Bergarbeitern blutig niederschlägt.
- Verbraucher müssen Druck machen: Reinhard Bütikofer, Mitglied des Europäischen Parlaments, sieht die Bürger in der Pflicht und sagt, man brauche in dieser ganzen Auseinandersetzung eine hellwache Öffentlichkeit. Professor Jens Gutzmer sieht das anders: "Die Versorgungslage wird sich sehr entspannen, wenn sich die Industrie darauf besinnt, dass mineralische Rohstoffe ein essentielles Gut sind, das sie für ihre Produktion brauchen. Und dass sie entsprechend in die globale Rohstoffwirtschaft investieren. Sie können sich nicht nur passiv daneben stellen und warten, dass die Rohstoffe einfach so ankommen in Deutschland."
Kurzsichtig statt nachhaltig
Lange Zeit war es nur wichtig, möglichst billig zu produzieren. Nun ist die deutsche Wirtschaft an einem Punkt angekommen, an dem sie sich alleine nicht mehr helfen kann. Sie hat sich freiwillig von der chinesischen Versorgung mit Seltenen Erden abhängig gemacht und die Verantwortung für eine nachhaltige Förderung ausgelagert. Jetzt sind Auswege aus dem Dilemma gefragt.
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Datum der letzten Änderung: Jena, den: 14.01. 2015