Flattern
Flatterschwingungen sind Schwingungen von Flugzeugteilen (Flügel, Leitwerk, Ruder), die sich bei ungünstigem Zusammenwirken von aerodynamischen, elastischen und Massenkräften entwickeln und zur Klasse der selbsterregten und angefachten Schwingungen gehören. Flattern ist für alle Flugzeuge, vom Segelflugzeuge bis zum Jumbo Jet, ein gefährlicher Flugzustand, der, einmal erreicht, im Allgemeinen nur sehr kurz dauert und mit der Zerstörung der betroffenen Strukturteile endet. Tritt eine Flügel- oder Ruderschwingung bei einem noch stabilen Flugzustand auf, wird die Schwingung durch die Dämpfung der Struktur und durch die Dämpfung der umströmenden Luft von selbst beendet. Dies ist im gesamten Fluggeschwindigkeitsbereich bis hin zur kritischen Geschwindigkeit oder auch Flattergeschwindigkeit der Fall. Beim indifferenten Flugzustand reicht die Dämpfung der Struktur und der umströmenden Luft nicht mehr aus, um die Schwingung ohne direktes Eingreifen abklingen zu lassen. Steigert man die Geschwindigkeit auch nur geringfügig über diesen Wert hinaus, liegt ein labiler Flugzustand vor und das Flugzeug gerät durch die kleinste Schwingungsanregung in einen unkontrollierbaren Schwingungszustand. Die Schwingungsform zieht dabei aus der anliegenden Strömung Energie ab und führt sie der Strukturschwingung zu.
Durch die andauernde Energiezufuhr schaukelt sich die Schwingung immer weiter auf.
Innerhalb von zwei bis drei Schwingungszyklen wird der Flügel oder das Ruder buchstäblich in der Luft
zerrissen und der Rest des Flugzeugs folgt. Bendenkt man,
daß die Schwingungsfrequenzen zwischen ungefähr 1 Hz und 30 Hz liegen, entsprechen diese 3 Zyklen 3 bzw. 0,1 Sekunden.
Das Fatale dabei ist, daß das Flugzeug ohne Vorwarnung die Grenze der kritischen Geschwindigkeit
überschreitet. Durch Alterungsprozesse (Ermüdung / Steifigkeitsverlußt)
bzw. durch bauliche Veränderungen
an der Struktur oder Masseveränderungen können auch moderne Flugzeuge in den Zustand des Flatterns geraten.
Auch verringert sich die kritische Geschwindigkeit mit zunehmender Flughöhe,
da die Luftkraftdämpfung geringer wird. Tritt ein Flattern an der
Struktur auf, wäre sofort die Geschwindigkeit zu reduzieren.
Der Beginn des Flatterns kann jedoch so schnell gar nicht
bemerkt werden, daß innerhalb der Reaktionszeit des Piloten
ein Schaden vermieden werden kann.
Grundsätzlich sind für Segelflugzeuge zwei Schwingungsformen von Bedeutung: Die Biege- und die
Torsionsschwingungsform der Tragflügels oder auch der Leitwerke. Durch sie wird das klassische Flügel- oder
Flossenflattern erzeugt. Die zweite relevante Paarung von
Schwingungsformen ist eine Ruderdrehschwingung zusammen mit
einer Schlagschwingung der vorgelagerten Flosse. Sie erzeugen
das Ruderflattern. Davon können alle Ruder betroffen sein -
Quer- Seiten und Höhenruder.
Beim klassischen Flügelflattern reduziert sich mit
zunehmender Geschwindigkeit die Dämpfung der umströmenden Luft
bis sie schließlich in eine Anregung der Schwingungsbewegung
umschlägt. Die Frequenzen der Biegeschwingung und der
Torsionsschwingung beginnen sich zu nähern. Ist die kritische
Geschwindigkeit erreicht, sind sich diese beiden Frequenzen
sehr nahe.
Bei Flügelstrukturen die sehr große
Schwingungsamplituden zulassen und bei denen dabei ein Zuwachs
der Strukturdämpfung entsteht, muß das Erreichen der
kritischen Geschwindigkeit nicht zwangsläufig eine Zerstörung
des Flügels bedeuten, sondern kann in einer stationären
Schwingung mit allerdings hohen Amplituden enden. Eine gute
Trennung der Biege- und Torsionsfrequenz durch konstruktive
Maßnahmen kann die kritische Geschwindigkeit deutlich zu
höheren Werten verschieben. Bei nicht mehr veränderbaren
Flügelkonstruktionen kann dies noch nachträglich durch ein
Massetuning erreicht werden. Zusatzmassen in den Flügelspitzen
reduzieren z.B. die Biegefrequenz deutlich und verändern die
Torsionsfrequenz kaum. Eine Annäherung der Frequenzen ist im
Flugbereich dann nicht mehr möglich.
Der Ablauf beim Ruderflattern ist komplexer als beim klassischen Flügelflattern, da beim Ruderflattern wesentlich mehr Faktoren eine Rolle spielen. Das Ruderflattern ist abhängig von der Biegeschwingung der Flosse im Ruderbereich, der Steifigkeit des Rudergestänges und der Drehsteifigkeit des Ruders. Das Ruderflattern tritt im Zusammenwirken von der Flossenschlagschwingung und der Ruderdrehschwingung auf. Bei der sich daraus ergebenden kritischen Geschwindigkeit beginnt das Ruder zu flattern. Allein ein schlecht massenausgeglichenes Quer-, Seiten- oder Höhenruder kann bereits das Flattern auslösen. Da das Lagerspiel der Ruder die Ruderdrehsteifigkeit reduziert, geht die Drehfrequenz nach unten und kann sich der Flossenschlagfrequenz nähern. Daher sollte bei jeder Jahresnachprüfung besonders auf Lagerspiel bei Rudern geachtet werden.
Das alles hört sich im ersten Moment unheimlich dramatisch, ja gefährlich an und das ist es grundsätzlich auch. Doch sind Unfälle aufgrund eines Flatterversagens sehr selten denn bei allen heutigen Flugzeugen werden schon in der Entwicklung die Erkenntnisse der Aeroelastizität berücksichtigt. Dazu wird von einem neuen Flugzeug ein Rechenmodell erstellt. In diesem Modell werden bereits alle bekannten Rahmenbedingungen, wie die Flugzeugform, die verwendeten Materialien, die Festigkeit, die durch Schwingungen erregten aerodynamischen Kräfte und die Dämpfung der Struktur mit berücksichtigt.
Jedes Einzelteil eines Flugzeugs kann das Flattern
auslösen. Daher werden am ersten Prototyp eines neuen
Flugzeugs die über das Rechenmodell ermittelten Grunddaten mit
einem Standschwingversuch überprüft. Sobald diese Phase
abgeschlossen ist, beginnt auch schon die Flugerprobung. Die
kritische Fluggeschwindigkeit für ein neues Flugzeug liefert
das Rechenmodell. Da aber die genauen Grenzen, die Envelope,
nicht ganz exakt voraus berechenbar sind, werden diese Schritt
für Schritt im Flugversuch erflogen. Alle Bereiche wie
Geschwindigkeit, Anstellwinkel, Lastvielfache,
Massenkonfigurationen (Wasser) usw. werden dabei überprüft.
Dabei wird mit den rechnerisch sicheren Werten begonnen.
Innerhalb des sicheren Geschwindigkeitsbereiches werden
künstlich Schwingungen erzeugt. Die Einleitung der Schwingung
erfolgt in der Regel manuell durch harte, schlagartige
Ruderausschläge.
Die dabei entstehenden Schwingungen
(Schwingungsform und -frequenz) werden abhängig von der
Ausrüstung des Herstellers gemessen. Dabei ist es wichtig, in
welchem zeitlichen Rahmen diese Schwingungen wieder abklingen.
Dies ist das Maß für die Stabilität des
Schwingverhaltens.
Die Versuche werden mit einer
festgelegten, schrittweisen Erhöhung der Geschwindigkeit
fortgesetzt. Sobald die Schwingung nicht mehr im anfängliche
gemessenen Zeitrahmen abklingt, sondern im Gegenteil länger
andauert, wird die Dämpfung geringer. Unterschreitet der
gemessene Dämpfungswert eine festgelegte Grenze, ist die
kritische Geschwindigkeit, die Flattergeschwindigkeit,
nahezu erreicht, der Flugversuch wird beendet.
Bei einer
weiteren Erhöhung der Geschwindigkeit würde die Dämpfung nicht
mehr ausreichen und das Flattern mit allen genannten Folgen
schlagartig einsetzen. Im Flugversuch gewonnene Daten werden
anschließend ausgewertet und in entsprechende bauliche
Optimierungen umgesetzt, die natürlich auch wieder verifiziert
werden müssen. Bei der Auslieferung eines neuen Flugzeugs kann
man in der Regel davon ausgehen, daß der Flugzustand des
Flatterns nicht auftreten kann. (Baudisch / Dr. Bühlmeier)
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Datum der letzten Änderung : Jena, den: 06.05. 2017